11. 10./Graz

11. 10. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

Für “Graz von aussen” (Droschl) habe ich diesen Text geschrieben. Alles ist geblieben, wie es einmal war, nur bin ich gestern, 40 Jahre später, mit einer Marlboro rauchend durch den Stadtpark spaziert.

die stadt

autos über autos. liebe grüße, schreibt mein onkel georg aus new york.und das ist genau mein eindruck von graz, nur die strassenbahnen, die es in new york nicht gibt, hat er zu erwähnen vergessen, wo jeder weiß, wo er einzusteigen hat, um von hier nach dort zu fahren. für mich ein rätsel, nur der uhrturm erinnert an den ort, von dem ich gekommen bin, um zu studieren, damit wir kinder es einmal besser haben sollen. nach meiner mutter am besten als professorin in einer mittelschule, denk an die vielen ferien, wenn du selbst einmal kinder hast, denk an die gute pension, nach meinem vater als juristin in der landesregierung oder noch besser als landärztin, dann kann ich nach dem studium der stadt wieder den rücken kehren, wo keine umstürze mit miniröcken drohen und dem pfarrer kein wort mehr von seiner kanzel geglaubt wird. und das schlimmste, die frauen in der stadt rauchen, sogar auf der straße rauchen sie. nie hat mein vater von graz gesprochen, immer nur von der stadt. er ist kettenraucher, sechzig ohne filter pro tag, doch das ist ihm zuviel, das mit den frauen und das auf offener straße. noch bevor ich herausfinde, dass ich sozialwissenschaften und nicht psychologie inskribiert habe, lerne ich zu rauchen. ich spaziere mit einer smart in der hand durch den stadtpark und komme mir städtischer als am land vor. am abend lassen meine schwester und ich uns von vorarlberger medizinstudenten in trinkgebräuche einführen, der konsumierte alkohol macht aus uns südsteirerinnen gestandene auch-vorarlbergerinnen. am schönsten ist, dass ich nicht nur unerkannt durch die herrengasse spaziere, denn jemand gegenüber auf dem anderen gehsteig schreit mir flüsternd zu, kennst mi no, i woa eingruckt in straß, du bist doch die aus der kantin. jede fremdheit in der stadt ist dann fort, ich bin wieder zuhause und beneide mich wie diejenigen, die ich sonst beneide, die in der stadt aufgewachsen sind, die wissen, wo man wie hinzufahren hat, die die oper von innen und den theaterspielplan kennen, und nicht abgewiesen werden vom cerberus vor der diskothek. ich beobachte sie gut, die gutsituierten töchter von graz, kinder von rechtsanwälten oder zahnärzten, adresse villa neben dem hilmteich, mit ihrem unsteirischen sprechen, wo man aus dem mund kein land riecht. ich wohne in untermiete bei nochmaliger untermiete in einem zimmer mit einer auch vom land, die schon besser bescheid weiß vom leben in der stadt, sie ist schon im dritten semester. am wochenende endlich muss ich wieder nach hause, essen fassen für die tage bis zum wochenende, mitfahren kann ich mit einer lehrerin aus mureck, die auch schon länger zur städterin mutiert ist. sie raucht viel und erzählt akzentfrei über männer im allgemeinen und männer im besonderen. von ihren abenteuern mit ihnen erzählt sie während der fahrt mit geschminkten lippen und hochtoupiertem haar. zurück nach graz fahre ich mit meinem vater, der zum fassen für die kantine nach graz fährt. das ist ein schöner austausch zwischen uns beiden. in diesem jahr studiere ich wenig und lerne sehr viel.