Buenos Aires 4., 5. und 6. Oktober

18. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

4. Oktober
Ich sitze mit meinem Köfferchen in einem Sessel und warte auf das Taxi, das mich zum Flughafen bringen soll um nach Europa zu fliegen. Das Telefon klingelt und ein Mann sagt mir, dass mein Flug auf morgen verlegt wurde, weil der Flughafen Ezeiza bestreikt wird. Aus einem Paket, das aus den USA kam, sind tausende von Dollars verschwunden, einige Flughafenangestellte wurden festgenommen und die restlichen Angestellten haben einen Streik organisiert.
Mein Land produziert wieder mal Postkarten mit Mafia- und Science-Fiction-Szenen. Ich schließe die Augen und denke der Streik wird nicht enden und ich werde für immer in dieser Hemissphäre gefangen bleiben.

5. Oktober.
Ich stehe um sieben Uhr morgens auf und es regnet wie beim Weltuntergang. Der Himmel ist grau und die Tropfen sind Messer gegen den Asphalt.  Ich versuche ein Taxi zu bekommen, um zum Flughafen zu fahren, aber niemand antwortet. Nachdem ich eine Stunde lang vergeblich versucht habe, jemanden zu erreichen, rufe ich meine Mutter an. Meine Mutter gibt mir das Telefon eines Herrn, der einen für 75 Peso in einem weißen Auto hinfährt.  Der Herr mit dem weißen Auto ähnelt einem Formel-Eins-Fahrer. Als wir in Ezeiza ankommen, ist mein Herz eine Zeitbombe. Das Flugzeug fliegt in 45 Minuten ab, und in den langen Schlangen bei der Passkontrolle zanken sich beleibte Herren und schmuckbehängte Damen, Polizisten und Ausländer, aufmüpfige Kinder und zornige Mütter. Während ich Schlange stehe, denke ich, ich werde dem Flugzeug noch auf der Piste hinterherrennen müssen.  
Schließlich verspätet sich der Abflug und ich schaffe es noch, vom Boden abzuheben.

6. Oktober.
Ich sitze im Flugzeug und meine Nachbarin schläft wie ein betäubter Hirsch. Eine junge Frau, blond, mit deutschem Einschlag, die mit offenem Mund und baumelndem Kopf träumt.
Als sie die Augen aufmacht, erzählt sie mir in einem Spanisch mit bolivianischem Akzent, dass sie Deutsche ist, in La Paz gelebt hat und Sofia heißt. Sofia studiert Politikwissenschaft und ihr Beruf ist Ausländer zu heiraten, um ihnen die europäische Staatsbürgerschaft zu verschaffen.  Mit zwanzig verliebte sie sich in einen jungen Mann aus Kamerun, der Asylbewerber war. Drei Jahre lang betrieb sie den notwendigen Papierkrieg um ihn heiraten zu können, und als sie schließlich heirateten und er zum Europäer wurde, verließ sie ihn. Jetzt war sie in einen Bolivianer verliebt, mit dem sie auch vorhatte zu heiraten, um ihn zum Europäer zu machen, aber noch musste sie ein bisschen warten, damit ihrer alten Liebe nicht die neue Staatsbürgerschaft aberkannt wurde.
Kann man denn ein Heer von Männern und Frauen aufstellen, die Ausländer heiraten um sie vor der Armut oder der politischen Verfolgung zu retten?