Drecksköter

15. 6. 2008 // // Kategorie Randnotizen 2008

Erstens
Über Tote nichts als Gutes – und ich würde gerne Gutes über unseren alten Hund berichten – alleine, mir fällt nichts ein. Wir nannten ihn Lumpi, und ein Lump war er auch. Seine Mutter ein Appenzeller Sennenhund, ein Kurzhaardackel sein Vater. Die komplizierten Grössenverhältnisse bei seiner Zeugung mögen einen gewissen Einfluss auf seine spätere Entwicklung gehabt haben, wesentlicher waren wohl die rassetypischen Eigenschaften der Elternteile. Jede für sich genommen, gereichen dem Menschen durchaus zum Vorteil. Sennenhunde sind treue und aufmerksame Wächter. Sie verbellen zuverlässig jeden Eindringling, bis der Meister ihn zu schweigen befiehlt; und jeder, der nicht zum Hof gehört ist ein Eindringling, und Meister kennt er zeitlebens einen Einzigen. Dackel hingegen verfolgen ihre Opfer bis in die tiefsten Gänge des Dachsbaus, und starrköpfig bis zur Selbstvernichtung lassen sie sich durch nichts von ihrem Ziel abbringen. In unserem Hund nun gingen diese beiden Merkmale eine höchst bedenkliche Verbindung ein. Obwohl äusserlich nichts an seine mütterliche Herkunft erinnerte, sondern in allem seinem Vater nachschlug – kurzes, braunes Fell, gerade Rute, bloss ein gutes Stück höher auf den Läufen als reinrassiger Dackel – war er ein mustergültiger Wächter. Sein Gebell war so furchteinflössend, dass jeder, der an unsere Tür klingelte, sich augenblicklich fragte, ob er nicht besser zu einem späteren Zeitpunkt wiederkommen könnte. Wer dem Hund noch nie begegnet war, sah vor seinem inneren Augen einen Cerberus toben und war erstaunt, wenn stattdessen ein Köter erschien, kaum ernstzunehmen, weil er einem kaum bis ans Knie reichte. Erst wenn meine Mutter oder mein Stiefvater ihn zu schweigen und den Gast willkommen geheisssen hatte, beruhigte sich der Hund und begann ein scheinbares Unterwerfungsritual, indem er mit dem Schwanz wedelte und auf seine persönliche Weise die Ohren anlegte, so dass sie nach vorne offene Schalen bildeten. Der Gast war beruhigt, weil er dies als Geste des Friedens erkannte, so, wie wir auch, allerdings nur bis zu jenem Tag, als mich mein Freund Roger, der Herr sei ihm gnädig, besuchen wollte.