Alpaufzug in München

7. 6. 2009 // // Kategorie Randnotizen 2009

Letzten Mittwochabend hörte ich mitten in München einen gigantischen Alpaufzug: Das Läuten von hunderten von Kuhglocken in trägem Schritt. Ich fühlte mich sofort im Graubünden, wo ich als Kind jeden Frühling eine Stunde lang zuschaute, wie eine Kuh nach der andern den Berg hinauf stieg.

Aber als ich von der Residenzstrasse näher an den Odeonplatz kam, sah ich, dass die Kuhglocken von Menschen getragen wurden. Vorne hatte eine menschliche Leitkuh ein Mikrophon in der Hand und sprach Verschwörerisches über Agrarsubventionen. Wenn ich richtig verstand, warnte er die bayerischen Landesregierung davor, dass sich die Bauern bald keine Kühe mehr leisten könnten.

Spätestens im englischen Garten verschwand der politische Aufruf wieder in der Geräuschkulisse der Kuhglocken, und ich konnte mich wieder ungestört über die gewaltige Versammlung von Geräuschemachern freuen. 

In der Zukunft wären auch denkbar: 

– Fussgängerumzüge mit Autohupen, die eine geschäftige Strasse simulieren. 

– Riesige Gruppen von Menschen, die durch rhythmisches Klatschen eine Hooliganmenge spielen.

– Ein Umzug mit Kokosnusschalen, die klappernd eine Kavallerie andeuten.

– Ein Büro voller Menschen, die geschäftig Telefongespräche in die Luft führen, ohne dass jemand auf der andern Seite zuhört.

Um nur einige Beispiele zu nennen. 

Die Arbeitslosigkeit der Zukunft könnte so neue Tätigkeitsfelder schaffen. 

Der steirische Herbst sollte einen live-Hörspiel-Wettbewerb für bedrohte Geräuschgruppen ausschreiben.