UTERATUR

8. 7. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

Den ersten typografischen Fehler machte ich selbst. Am Lendhafen wurde Text an die Wand projiziert, nämlich “Präsentation der Siegerfotzen um 21:30” Da hing eben über zwei Buchstaben ein bisschen Efeu und ich habe eine Weile gebraucht, um zu merken, dass es Siegerfotos heißen sollte. Freud lässt grüßen, ein Verleser, vielleicht hätte ich weniger trinken sollen, aber ich dachte das macht man dort so, da Clemens Setz meinte: “Da sind alle dauernd betrunken, bekifft und haben Sex”. Ach Clemens, denke ich, du bist ja immer nüchtern, da wirken alle immer schlimmer als sie sind, da war ich ja fast enttäuscht und was eine Siegerfotze ist weiß ich immer noch nicht. Der andere typografische Fehler stand vor der Tür zum ORF-Studio. Ein unglücklich mit dem i zusammengerutschtes L. 37. Tage der deutschsprachigen Uteratur (TDDU). Da will man sich fast schämen, da sind ja hunderte von Leuten, deren Job es ist zu lesen, aber das sieht niemand. Tststs. Es hätte einen Preis geben sollen für die meisten Uteri in einem Text.

Wer lesen kann ist im Vorteil, sage ich. Der Bachmannwettbewerb war ein Spaß. Ich fühlte mich verhätschelt. Da war zu essen, zu trinken und Menschen, die nett zu mir waren. Ich wurde von meinem Verlag (Picus, Wien) großartig unterstützt, sie kamen zu dritt, jaja, dort ist man nicht einfach eine Nummer, dort ist man DIE Nummer, wenn man Unterstützung braucht und auch aus Graz waren viele vertreten. Ich hatte ja gehofft, dass meine Kollegin und Begleitung Andrea Stift draußen im Lazarettzelt bei der Übertragung eine La-Ola-Welle anzettelt, allein, sie war nervös, nervöser als ich, das war erfolgreich delegiert. Und da lese ich dann und die Maskenbildnerin hatte meine Haare hingekriegt wie in der 1950er Dr. Oetker Werbung und ich hätte mir eine Auflaufform als Accessoire gewünscht. Das war schon alles stimmig und ich trete vor’s Publikum und kämpfe offenbar gegen das Matriarchat (das ja wirklich überall zu sein scheint, bösen Matriarchat, pfui, da sollte man auch ordentlich kämpfen, kann man in Österreich ja nirgendwo mehr hingehen, ohne darüber zu stolpern), aber den Alison-Bechdel-Pluspunkt hab ich bei der automatischen Literaturkritik trotzdem gekriegt, den Feminismus-Punkt schlechthin, was den Haare-im-Wind-Minuspunkt wieder ausglich. Da kenn ich mich schon selber nicht mehr aus, ob ich jetzt feministisch oder antifeministisch bin. Brav mitgeschrieben bei der Kritikrunde habe ich ja ohnehin – gute alte Werkstattschule, da geht’s ja bei den zwölfjährigen härter zu, aber meine Todesliste hab ich selbstverständlich auch gleich erweitert. Der Text sei ja sprachlich unauffällig und damit solide und handwerklich haben sie ja eh nix gefunden. Und dann beginnt Hubert Winkels von Uteri zu reden und ich dreh mich um, denn hat man’s einmal gesehen, sieht man’s immer und auch im Bühnenbild stand ganz groß 37. Tage der deutschsprachigen Uteratur und ich denke mir: Du bist da live, du darfst nicht vor lachen vom Sessel kippen und pfihihi, das wäre ja blöd, gut das besagter Sessel so viele Lehnen hat. Manch einer stürzt ja elegant, ich wär vermutlich auf der Fresse gelandet. Der Preis für die Uterianzahl war mir dementsprechend sicher. Danach ging das Gerücht um, die männlichen Juroren wären beunruhigt gewesen von den übermächtigen Frauenfiguren, aber das mach ich jetzt nicht zu meinem Problem, da redet mal besser mit einem Psychologen drüber und Freud hätt sich bei den TddU genau so schiefgelacht wie ich. Nur der Steiner hatte kein großes Problem, aber das mit gar keinem Text, das ist ja noch sein Aufwärmjahr. Weil die Simon hat ein “fiktives Märchen” (Fessmann) über eine “klaustrophobischen fürsorgliche Blumenschürzenhölle” (Strigl) geschrieben, das thematisch eh schon vom ländlichen Tatort bekannt ist (Spinnen). Ja, die Tante Cordula, die dann halt was erzählt, wo man den Kakao dazu nicht genießen kann und dann auch noch schlecht schläft. Freuds Traumdeutung hätt ich vielleicht gleich mitbringen sollen. Anders als der Köhlmeier, der ja der brave Märchenonkel ist. Auf Tatort-Schreiber umschulen könnte ich ja trotzdem. Spinnen würde ja eh lieber fernsehen als lesen. Das wäre ja was, alle Verlierer des Wettbewerbs dann in ein Camp bzw. eine Reality-TV-Show zu stecken, wo sie umgeschult werden, z.B. auf Kellner und dann Statements abgeben wie “Das Tablett ist mein größter Feind und Gläser sind seine Armee.” Im Vorspann erscheint immer Reich-Ranicki “Diefen Feif kritifier ich nicht”. Den Vorschlag habe ich auch Wrabetz unterbreitet, aber der kassierte dann 30% theoretisch meiner künftigen Einnahmen also hab ich mich davongestohlen. Seine Eröffnung war ja von vielen Danksagungen und wenigen Entschuldigungen geprägt. Ich hätte schon ein “Tut mir leid für das Kasperltheater im Vorfeld” erwartet (der Kasperl wurde beim ORF ja schon länger weggespart), aber er fühlt sich ja auch gerettet meinte er, weil er ja eh auch nicht gerade da sparen will. Und vielleicht wollte er wirklich einfach ausnahmsweise einmal etwas eloquenter beschimpft werden, bei den Fußballern hörte sich das ja schließlich anders an, meinte er und es ist ja wirklich gut, dass der Fortbestand des Bewerbs nicht von der Kartoffelernte abhängt, auch wenn ich dann meinen Schnaps nicht hätte selber bringen müssen. Aber vielleicht wird ja eine Konkurrenz-Veranstaltung ins Leben gerufen, die dann bei Servus-TV läuft und Vodka-Bull gibt’s gratis und das ganze nennt sich dann Flachmannwettbewerb, wo man einen Kurzen trinken muss, wannimmer ein negativer Kritikpunkt kommt. Der Köhlmeier hält dann wieder die gleiche Rede zur Eröffnung, weil umschreiben wär ja Arbeit, aber verkonjunktivieren geht ja automatisiert. Da fahr ich dann auch hin. Ich bin ja schließlich kein zartes Mimöschen (ist das jetzt antifeministisch?), eher ein Kirchturm und die haben ja im gottvertrauenden Österreich alle einen Blitzabbleiter und sind allgegenwärtig. Zweimal wurde mir gesagt: “Du warst ja eh auf der Shortlist.” War ich nicht, aber tun wir gerne so als ob. Frei nach dem Motto: Die Simon, die war ja überall, das hat schon fast rumgenervt, besonders wenn sie anfängt von sich in der dritten Person zu reden. Vielleicht hätte ich am Ende noch einmal quer durchs Bild springen sollen. Dann glaubt jeder ich war die Siegerfotze. Ab nächsten Jahr wird dann ein Zusatzpreis vergeben, von den Autoren für die Juroren, für gelungene Kritik, “die goldene Zitrone”. Schön, wie sich Juroren für ihre Kandidaten einsetzen, gute Anwälte gäben sie auch ab (Strigl, Winkels, Jandl) so sie keine Kindesweglegung begehen, wie leider bei Nadine Kegele, aber da hat sich das Volk ja gewehrt, oder zumindest ein paar, denn die Zahlen der Onlineabstimmung sollen ja recht niedrig sein, um die zweihundert etwas pro Person und gar keine gar so gravierenden Unterschiede. Wo waren da meine 800 Facebookfreunde – ihr treulosen Tomaten! Fessmann beginnt ja fast zu boxen für ihre Kanditaten und wird ja nahezu zur Mutter. An den Uteri stieß sich offenbar nicht jeder, aber vielleicht komme ich nächstes Mal besser ohne Uteratur.