Störbildtest

22. 9. 2015 // // Kategorie Randnotizen 2015

störbildtest_studio ASYNCHROME

Liebe M.

Tendenzen, Gegebenheiten – ich befinde mich hier sozusagen an einer Schwelle. An einem Noch-nicht oder an einem Schon-vorbei. Bin ich drinnen oder draussen? Es ist das selbe Gefühl, das man direkt unter einem Türstock verspürt. Schließen oder öffnen? Wo stehe ich also? Bloch sagte einst, dass wir uns in einem Raum der realen Möglichkeiten der Geschichte befinden und dieser liegt allemal am Horizont der jeweiligen Tendenz des Weltgeschehens. Ich finde, um in seinen Worten zu bleiben, dass wir uns eher an einer der vielen Fronten des Weltprozesses befinden, wo täglich Entscheidungen gefällt werden und sich die Demarkationslinie des Horizontes einmal innerhalb und das andere Mal wieder außerhalb des Sichtfeldes positioniert. Ist das die Gegebenheit?

Aber wie du schon einmal geschrieben hast – auch ich kann bei diesem Wetter nicht weit sehen.

Was muss ich eigentlich sehen, um mir vor Augen zu führen, dass sich irgendwie ein Schleier ausgebreitet hat? Kann ich das Gesehene vielleicht sogar bei den Herstellern der Geschichte in die Warteschleife schieben?

Beim Fern-sehen kann ich doch auch den Sender wechseln, wenn mir das Programm nicht gefällt. Aber dieses Testbild, oder ist es ein Störbild, von dem du auch letztens schon gesprochen hast, greift immer weiter in die Szenerie ein – sind es Ameisen die tanzen oder eher um ihr Überleben kämpfen?

Was befindet sich also hinter den dunklen Stellen des Bildes? Was befindet sich auch vor allem hinter den Hellen – hinter die wir genausowenig blicken können?

M., du hast mir doch einmal von dem „Loch in der Hand“ erzählt. Einfacher ausgedrückt, können wir überlistet werden – und ich glaube nicht, dass es etwas mit dem Abstand unserer Augen zu tun hat, obwohl diese immer leicht gegeneinander verschobene Bilder wahrnehmen und die Wirklichkeit auf ihr „Wirklich-sein“ überprüfen.

Wir können überlistet werden, weil wir unser Inneres selbst überlisten, indem wir wegsehen, wo wir hinsehen müssten, indem wir fiktive Grenzen real werden lassen und gar nicht erst versuchen, in unserer heutigen Zeit des Neoliberalismus, der Globalisierung und der Flüchtlingsströme zu erkennen, dass sich die Frequenzen der definierten Sender schon längst nach „unbekannt“ verschoben haben. Aber M., ich bin schon auf der Suche!

Ich freue mich bald wieder von dir zu hören und verbleibe mit den besten Wünschen aus dem Zwischenraum der Weltprozesse.