Zeichnen mit Licht

5. 10. 2015 // // Kategorie Randnotizen 2015

randnotiz_bigdraw_studio ASYNCHROME (1)

Lieber M.

Ich möchte dir von einem interessanten, wenn auch gleichzeitig merkwürdigem Ort erzählen – an dem ich mich unlängst aufgehalten habe. Die Welt stand auf dem Kopf, während ich mich aber auf den Beinen befand – Utopia? Ich frage mich, was oder wer war umgedreht, sozusagen auf der anderen Seite der Oberfläche? Das Außen war gleichzeitig das Innen. Du musst es dir so vorstellen, als wärst du unsichtbarer Teil eines Bildes, welches sich aber im Tausendstel einer Sekunde weiterbewegt. Zwar durchsichtig, wenn auch ganz und gar nicht transparent, dennoch gleichzeitig festgehalten vom Licht, ein unmittelbares Abbild. Als wäre man in einem riesigen, obscuren Sehapparat – Camera Obscura? Wahrnehmung / Wahr-Nehmung. Ist es die Wahrheit, die ich mir von diesem Ort mitnehme oder ein Spiegelbild der Gegenwart? Das Umschalten ist nicht möglich! Kurz war es mir, als könnte ich deine Papierschiffe sehen.

In der Dunkelheit, die an diesem Orte herrschte, ist die Zeichnung nach und nach entstanden – geheimnisvoll – obwohl das Licht dort schon viel früher seine Spuren hinterlassen hatte. Ich berichte dir hier von Überlagerungen aus Zeit und Raum, Fragmenten – Zeugnis von einem Noch-nicht oder einem Schon-vorbei, wie du es nennen würdest. Ich versuche dir eine Situation zu beschreiben, welche zu diesem Zeitpunkt auch schon längst wieder verschwunden ist – sich in Luft, Licht oder doch im Schatten der Dunkelheit aufgelöst hat. M. – ich konnte erahnen was kommt, was kommen könnte und doch bleibt Vorhersehung nicht vorher seh-bar. Die Verschiebungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ermöglichte das Bild zu fühlen, anstatt von einer festen Vorstellung beseelt zu sein – zu hören, obwohl es ganz still war.

randnotiz_bigdraw_studio ASYNCHROME (2)

Wie ein flüchtiger Denk- oder Fühlprozess, besser gesagt eine Sprache ohne Worte – oder Worte, die sich aus anderen Buchstaben formen, als wir es womöglich sonst so gewohnt sind. Eine Projektion eines Prozesses, welcher viel mehr Fragen stellt als Antworten liefert. Was passiert also, wenn das Licht schon im Vorhinein eine Skizze hinterlässt? Führt der Versuch, diesen Spuren zu folgen, zu einer Zeichnung – Narration? Als künstlerisch/architektonisches Medium ist sie doch für uns die unmittelbare Umsetzung eines zeitintensiven Konzipierens und Recherchierens. Jeder Strich ist der manifestierte Vorgang, sich einer selbst gestellten Frage zu nähern und diesen Denkprozess in die eigene Sichtweise zu übersetzen. The „Big Draw“ – ist es die Zeichnung, das Bild, das bleibt? Ist es das Gefühl eines Raumes, obwohl dieser mit dem Licht schon längst weitergezogen ist? Nie wurde mir das Phänomen: „Zeichen mit Licht“ so bewusst wie dieses Mal.
Wenn ich denke, dass ich denke, was ich denke, bin ich doch die, die ich denke, die ich bin – oder umgekehrt? Verwirrend, lassen wir das!

Achja, zwischenzeitlich war ich mir auch nicht ganz sicher ob du an meiner Seite gestanden und mit mir und dem Licht gezeichnet hast. Obscur ist das mit dem Sehen…

randnotiz_bigdraw_studio ASYNCHROME (3)

M. – ich hoffe, dass dich meine Bilder erreichen und ich bald wieder von dir höre.