Himmelsschriftpiloten

18. 7. 2016 // // Kategorie Randnotizen 2016

DAS PHÄNOMEN AM HIMMEL

Ueberall, wo bisher die kühnen Himmelsschriftpiloten ihre Kunst gezeigt haben, stand die ganze Stadt im  Banne des einzigartigen Erlebnisses. Und wirklich: der Eindruck eines in 4000 Meter Höhe “schreibenden” Flugzeuges ist so überwältigend, daß selbst an den bewegtesten Brennpunkten des Verkehrs das hastende Leben der Großstadt für einige Minuten zu lautloser Ruhe erstirbt und aller Augen gespannt dem überwältigenden Schauspiel folgen. Wie ein kleiner Habicht schießt der Pilot mit seinem Apparat hin und her, und wie von Geisterhand gezaubert steht darauf, in einem Umkreis von weit über 100 Quadratkilometer sichtbar, in riesigen Lettern am Firmament:

PERSIL.

Natürlich ist das Schreiben mit einer so schweren Schreibfeder, wie es ein Flugzeug darstellt, keine leichte Sache. Der Pilot muß das Wort, damit es vom Erdboden richtig gelesen werden kann, in Spiegelschrift fliegen (vergl. Abbildung) und wird in monatelangem Training zuerst auf Fahrrädern eingeübt, um sich an das Gefühl, Worte umgekehrt zu schreiben, zu gewöhnen. Beim Schreiben operiert der Flieger in etwa 4000 Meter Höhe, in der er vor Kälte zittert, wenn uns unten die Hitze plagt. Die Rauchabgabe wird durch Hebel reguliert; der Rauch, der sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit entwickelt, wird hinten vom Flugzeug ausgestoßen, und zwar in einer Menge von 8000 Kubikmeter pro Sekunde. Diese Menge wird verständlich, wenn man erstens die große Geschwindigkeit bedenkt, mit der das Flugzeug operiert, und zum anderen die ungeheure Größe der Buchstaben. Die durchschnittliche Geschwindigkeit, die der Flieger erreicht, beträgt je nach Wetterverhältnissen 150 bis 175 Kilometer; bei den sogenannten Abstrichen kommt sie auf 200 Kilometer. Die großen Buchstaben sind ungefähr 1500 Meter hoch, die kleinen etwa 1000 Meter, und das ganze Wort Persil vom Anfang bis zum Schluß hat eine Länge von 7000 bis 8000 Meter.

persil_01

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Arbeiterzeitung, 10. Juli 1928, S. 9

Reklame am Himmel

Gestern hing eine Sensation wirklich in der Luft: ein Flugzeug kreiste über Wien und schrieb – nicht mit Flammenschrift – aber mit Rauch Buchstaben in den Himmel. Damit ein Zweifel, daß es an die Wiener schreibt, ausgeschlossen ist, “rief” es zuerst an: Hallo Wien! Das Flugzeug, von der Sonne beschienen, war kaum zu sehen. Nur, wenn es sich wendete, wenn es ein Looping machte, blinkten seine Tragflächen auf. Dann zog es seine Schleifen in weißem Rauch und machte Reklame für eine Firma. Die Leute blieben auf der Straße stehen und konnten sich an dem “Wunder” nicht satt sehen.
In Berlin, London, Neuyork ist diese Himmelsreklame, von der wir die erste Kostprobe gestern erhielten, fast schon eine Alltäglichkeit. Nun soll sie auch in Wien Mode werden.

Arbeiterzeitung, 10. Juli 1928, S. 5

Wie es gemacht wird

Das Flugzeug, das den Reklameflug vollführte, ist ein englischer Doppeldecker, der von einem deutschen Piloten gesteuert wurde. Die Rauchschrift wird am Ende des Flugzeuges ausgestoßen. Die Zusammensetzung des Gases ist ein Fabriksgeheimnis. Natürlich hält sich die Schrift nur bei vollkommener Windstille. Man konnte übrigens auch gestern schon bemerken, wie die Buchstaben vom Winde zerzaust und vertragen wurden.

Arbeiterzeitung, 10. Juli 1928, S. 5