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In Graz 2

3. 10. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

In Graz sind Kroaten, Serben und Bosnier auf der Straße
das habe ich nicht erwartet
und natürlich die Menschen aus Graz
und Künstler die ich noch nicht getroffen habe
ich werde sie treffen
ich hoffe sie sind Eskimos
oder so etwas
Eskimos interessieren mich
ich habe in Kopenhagen echte Eskimos gesehen
vor allem Penner
im Restaurant war ein Junge aus Bosnien
er träumte davon Regie zu studieren
er studiert Ökonomie in Graz
und schaut sich Filme an
er war glücklich mit uns zusammensitzen zu können
und hat uns Drinks ausgegeben
die Drinks sind teuer, aber wir haben die Einladung angenommen
um ihn nicht zu beleidigen
dann ist ein Paar gekommen
der Mann war unfreundlich als er sah dass der Kellner sitzt
dass der der da sitzt unser Kellner ist
und unsere Sprache spricht
der Mann ist mit seinem Mädchen gekommen und war unfreundlich
die Kellner haben einfach nicht zu sitzen
vor allem ausländische Kellner
er will sein Ökonomie-Studium beenden
und nach Hause zurückgehen
vielleicht spart er auch etwas Geld
wenn ich mal mit jemandem ausgegangen bin
der unfreundlich gegenüber dem Kellner war
dann habe ich ihn zur Hölle geschickt
ich kenne viele Kellner
sie haben Krampfadern
sie scheißen nicht regelmäßig
es ist besser wenn man in einer Bar arbeitet
aber am besten ist es wenn du gar nicht arbeitest
sondern einfach erzählst
und säufst

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In Graz 1

3. 10. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

Ich bin in Graz, und es ist sehr warm. Vorgestern Abend war ich in Berlin. Darüber möchte ich erzählen, weil ich in Gedanken immer noch dort bin. Ich bin keine moderne Frau, ich brauche Zeit, um Bild und Ton zu übernehmen. Jetzt sitze ich, als ob ich da wäre, in der Bar „ROTES MORGENGRAUEN“ und trinke Bier mit Zitrone und labere über Kunst. Und auch ein bisschen über Politik. Ich betrachte diese faszinierende junge Welt, wie sie an mir vorbei schlendert. Die jungen Menschen haben eine Leichtigkeit in ihrer Lebensweise, das ändert sich später alles, wenn das Leben sie einfängt. Einige fängt das Leben nie ein, aber ich würde niemals mit diesen Nicht-Eingefangenen tauschen. Bei mir gab es keine Leichtigkeit in meiner Lebensweise und Existenz, aber das ist eine andere Geschichte. Und wahrscheinlich hat sie kein glückliches Ende. Also, ich bin noch da und sitze im „roten Morgengrauen“, und dann sehe ich meinen Freund Fabian mit seiner süßen Französin, wie sie auf Fahrrädern vorbei fahren. Ich springe auf, überquere in einem Slalom zwischen Autos und Straßenbahn die Straße und umarme die beiden und ihre Räder. Dann setzen wir uns zusammen mit den beiden hin und trinken einen. Eine Bar, eine zweite, eine dritte. Und irgendein Imbiss, in dem Bier verkauft wird und Unterhosen und komische Teigtaschen, die unter einem Wachstuch liegen. Drinnen singen und deklamieren und schreien Kubaner. Und Japaner, um genau zu sein. Die Japanerinnen freuen sich, und die Berliner freuen sich, und irgendwelche Landsmänner von ihnen freuen sich. Und sie singen Lieder vor unbeteiligten Frauen, fragen sie, wie sie heißen, und singen ihnen dann etwas vor. Sicher etwas Anrüchiges. Etwa:

DIESE KLEINE
IHR AUGE IST VOLLER GLANZ
AN DER TÜR FLIRTET SIE ALLEINE
UND LOCKT ZUM TANZ
SIE WILL IN DIE LUFT SPRINGEN
ES IST IHR DOCH ZU HOCH
SIE LANDET IM SCHOSS

Natürlich stelle ich mir vor, dass sie so singen, sicher nicht noch anrüchiger, sicher nicht so wie unsere Gesänge. Unsere Gesänge sind äußerst anrüchig.

Ich habe viel getanzt und geschwitzt, aber für mich haben sie kein Lied gesungen. Dabei haben sie für alle anderen Frauen ein Lied gesungen. Weil hinter mir mein Oleg stand, und wie immer einen auf Macker machte.

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Ich bin in Berlin

2. 10. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

ICH BIN IN BERLIN

Eine sehr lebendige Stadt

Ich lebe nicht hier

Hier lebt eine Spinne im Fenster

Ich werde sie nicht stören

Und die Menschen fahren viel Fahrrad

Das gefällt mir nicht

Weil ich nicht so gut Fahrrad fahren kann

Das Geld das ich hier ausgebe

Spare ich den Kindern vom Mund ab

Ich gebe es aus

Trage eine Bierflasche in der Hand

Durch die Straßen

Und meine Augen sind voller Tränen

Als ich reisen sollte konnte ich es nicht

Ich hatte kein Geld

Ich hatte keine Dokumente

Ich hatte ein Baby

Alles was später kam

Ist nicht rechtzeitig gekommen

Auch du bist nicht rechtzeitig gekommen

Du bist in der Nähe gewesen

Aber du bist nicht gekommen

Fick dich ins Knie du Arsch

In Berlin sitzen wir

Im Café Chagall

Mit einem verrückten Russen der Liegestütze machte

Um uns zu zeigen wie stark er ist

Mit dem kahl geschorenen Russen

Und mit einem aus Wales der sich mit Zeichnungen überzogen hat

Garantiert hat er auch irgendwas auf dem Po

Ich habe getrunken

Du nicht weil sich die Situation

Leicht hätte ändern können

Andrej hätte noch einen trinken

Und dann aufhören können uns zu umarmen

Hätte anfangen können uns zu verprügeln

Nigel hätte noch einen trinken

Und uns mit einem stumpfen Gegenstand schlagen können

Sich meine neuen Stiefel schnappen und davon laufen können

Er hätte sie nur schwer von meinen Beinen abbekommen

Er soll sich ins Knie ficken der Arsch

Oder die Situation hätte so aussehen können

Dass wir Emigranten anfangen zu weinen

Dass wir uns Brüderschaft schwören

Mit Blut

Dann würde man sehen wer was drauf hat

Doch wir gingen statt dessen Burritos essen

Und reiche amerikanische Kinder angucken die die Kellnerin

Anmachen

Sie sollen sich ins Knie ficken die Ärsche

Warum müssen wir in einem Café immer

Mit Verzweifelten herumsitzen

Hätte ich noch ein wenig mehr getrunken

Dann hätte ich sie vielleicht mit nach Hause genommen

Sie können mir gestohlen bleiben

Aus dem Serbischen von Alida Bremer

JA SAM U BERLINU

Vrlo živom

Tu ne živim

Tu živi jedan pauk na prozoru

Neću da ga diram

I ljudi mnogo voze bicikle

To mi se ne sviđa

Jer ne znam dobro da vozim bicikl

Pare što trošim

Otkidam deci od usta

Trošim ih

Nosim flašu piva u ruci

Ulicama

I oči su mi pune suza

Kad sam trebala da putujem nisam mogla

Nisam imala para

Nisam imala papire

Imala sam bebu

Sve što je posle došlo

Nije došlo na vreme

I ti nisi došao na vreme

Bio si tu pored

A nisi došao

Krv ti jebem da ti jebem

U Berlinu sedimo

U kafani Šagal

Sa ludim Rusom koji je radio zgibove

Da nam pokaže koliko je snažan

Glatko izbrijanim Rusom

I sa jednim iz Velsa koji se skroz izcrto

Mora da ima nešto I na dupetu

Ja sam pila

Ti nisi jer je situacija

Lako mogla da se okrene u nešto drugo

Andrej je mogao da popije još jednu

I da prestane da nas grli

Da krene da se bije

Najdžel je mogao da popije još jednu

I da nas udari tupim predmetom

Uzme moje nove čizme I pobegne

Teško bi mi skinuo sa noge

Krv mu jebem da mu jebem

A mogla je situacija isto tako

Da bude sledeća

Da počnemo da plačemo mi emigranti

I da se bratimimo

Da se sečemo

Pa ko živ ko mrtav

Ovako smo otišli na buritose

I gledali bogatu američku decu kako muvaju

Konobaricu

Krv im jebem da im jebem

Zašto mi uvek moramo da sednemo u kafanu

Gde su očajnici

Još malo da sam popila

Možda bi ih odvela kući

Daleko im lepa kuća

In Berlin

26. 9. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

In Berlin ist es warm, und schwangere Frauen verfolgen mich auf den Straßen. Auch die Fahrradfahrer, und die sind genervt. In einem Café hat einen junge Frau heißen Tee über meine Bücher verschüttet, jetzt hat sie schreckliche Angst, dass ich böse werden und mich beim Besitzer beschweren könnte. Und so wischte und wischte sie die Bücher ab. Ich wollte ihr helfen, aber sie wischte weiter und fragte mich immer wieder, ob ich mich verbrüht hätte. Ich bestellte dann ein sehr teures Bier und trank es ganz langsam um zu zeigen, dass es hier schön sei. Ich finde es wirklich schön. Ich muss dazu sagen, dass ich es überall schön finde. Ich habe einen lachenden Hund gesehen. Ich habe einen Schönling gesehen, der eine Rikscha fuhr. Ich habe eine strenge Frau gesehen, die einen teuren Wagen fuhr. Ich habe einen Mann im Kleid gesehen, der gegen die Kirche wetterte. Er gefiel mir sehr. Man kann sehen, dass er ein reiches Seelenleben hat.

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