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Du bist zu jedem nett, du bist zu jedem gleich gut, du magst jeden und gibst jedem eine Chance, aber das geht so nicht, wir können damit auf Dauer nicht, das nervt, das macht dich unglaubwürdig und wir fühlen uns schlecht, weil wir trotz unserer Lügen und Asozialität gemocht werden, wie wäre es, du läßt dich mal gehen, wie wäre es, du flippst aus und schlägst alles kurz und klein?

28. 8. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: ich will dich ausziehen.

lotte: ist das eine frage?

ich: lotte, am schönsten tanzt man nach den songs, die man selbst komponiert hat.

lotte: hör mit dem schön auf. du hast keine entscheidungsbefugnis über schön.

emilia: es gibt auf der welt drei sorten von liebenden: die einen pellen das ei ganz, bevor sie es essen, die anderen schlagen ihm den kopf ab und löffeln seine innereien aus und die dritten, die dritten verachten das ei, sie hassen das ei, sie würden, wenn sie könnten, alle eier dieser Welt erschießen.

ich: manchmal wäre es mir lieber, wir würden einfach ficken, also einfach so.

lotte: manchmal wäre es mir lieber, wir wären als flora zur welt gekommen.

ich: ich wäre eine eiche sehr gern.

lotte: du wärest moos auf mir.

ich: die chancenlosigkeit eines neuanfangs begreife ich schon.

lotte: du begreifst immer nur dinge, um die es gar nicht geht.

emilia: man muss auch lernen, sich miteinander zu langweilen; ihr schläft schon beim lernen ein, und wenn ich einmal lieben werde, dann aus erholung, nicht trotz ernüchterung, ich will nüchtern und besoffen lieben, überhaupt will ich alles lieben so verwenden, dass das gefühl, die hände in den taschen zu haben, permanent bestehen bleibt.

Der Anblick eines Menschen, dem man lange mit geschlossenen Augen zugehört hat, kann überraschen

20. 7. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

barcelona, 11-15. Juli

ich: mein ganzer kopf war so, dass ich, hätte ich noch mehr ideen und nervosität und macht bei mir gehabt, gut als karl-heinz rummenigge oder rudi dutschke oder karl VI durchgekommen wäre. gefragt, welcher von den dreien mir persönlich am liebsten wäre, wüsste ich, jetzt, da ich darüber nachdenke, sofort eine antwort. in barcelona, in den gassen von barceloneta, mit A. und M. und J. und einer mitternachtstorte, mit dem schweiß auf dem nicht mehr so käsigfabenen arm, mit vier in völlig falsche richtung geschickten engländern, da wäre ich am liebsten der noch nicht tote gewesen.

ich: mein ganzes leben lang reite ich auf eingebungen. auf einer rodeo-ebene sind das meine bullen. da sitze ich dann und sage dinge wie “easy fella”. die eingebungen stört mein weinerliches gehabe. sie wollen diese menge an bemessener wichtigkeit nicht haben, sie wehren sich. jegliche resistance is aber futile. wenn ich nicht auf eingebungen sitze, füttere ich sie oder gehe selbst mitternächtlich kuchen essen in barceloneta mit guten leuten. oder ich frage zehn spanier, von denen sich acht nicht als spanier entpuppen, was sie von graz halten.

ich: “what do you hold from graz?” sie: “what?”

ich: manche sagen auch “beg your pardon?”. nichts ekliger als überhöfliche menschen, da weiß man nie, wie man sie dissen soll.

ich: die beiden spanier antworten, sie verstehen kein englisch.

ich: in einem kleinen konfektionsgeschäft in el raval kaufen vier schweden und ich ein. von den vier schweden sind drei schwedinnen anwesend. im grunde kaufen der schwede und ich ein, und die drei schwedinnen sehen uns zu. es ist seltsam, diese kopfsackgasse, in die man läuft, wenn man das wort “schwedinnen” denkt. am angenehmsten ist der augenblick, als der schwede ein hemd anprobiert, das ich gerade an hatte. ich reiche es ihm, nachdem ich fand, dass man mein brusthaar darunter als schemen zu deutlich sieht. er zieht es an – und jetzt kommt der angenehmste augenblick: es passt ihm hervorragend. eine der schwedinnen steht auf und küßt ihn zur belohnung.

ich: von den zehn spaniern, die ich frage, was sie von graz halten, sagt ein engländer: “partyyy!!!”. ich verwickle ihn sofort in ein längeres gespräch, um ihn vehement von diesem irrtum abzubringen.

ich: woody allen dreht mit scarlett johansson in barcelona einen film. M. und ich gehen an einem der drehorte vorbei. hunderte von menschen lecken eis. die filmcrew hat muskeln und geht zum catering wagen. die filmcrew trägt schwarze t-shirts. sie bekommt das, was sie bestellt. ich frage eine spanierin, was los sei. die engländerin sagt, woody allen und scarlett johansson drehen einen film. ich frage, ob sie sehr glücklich darüber sei und was sie von graz halte. sie antwortet nicht sofort.

ich: drei stunden später reite ich wieder allein auf meinem eingebungsbullen durch barcelona. überall tapas. überall himmel. man entkommt dem system nicht. ich habe kopfschmerzen. “do you serve rudi dutschke?”, frage ich in einer tapas-bar. “yes, of course”, sagt der engländer. draußen läuft der doch sehr kleine woody allen vorbei, umgeben von der schwarzbeshirteten filmcrew. ich zucke mein handy und fotografiere die systematisch sinnvoll arrangierten tapas auf meinem teller.

Allfällige Vorbehalte

9. 7. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: ich fliege am mittwoch für ein paar tage nach barcelona.

lotte: das könnte gut sein gegen unseren plan, am mittwoch das haus für kaffee und kuchen zu verlassen.

ich: ich habe dort vor, kennenzulernen.

lotte: das letzte mal hast du vergessen, dass tel aviv ein meer besitzt und warst dir nicht sicher, ob die sitten flip-flops zulassen.

ich: ich habe sitten und tel aviv gegoogelt.

lotte: ich wette, du lernst nicht kennen.

ich: wenn wir wetten, schon.

emilia: ich würde gerne wegkommen von hier. aber richtig wegkommen. spurlos verlassen. behaupten können, ich war niemals dort, ich kenne dieses graz nicht, überhaupt die schweiz, die mag ich nicht. mir reicht es nämlich – diese selbstauferlegte opferrolle mit hang zur intrige und zur genügsamkeit, auch dann, wenn dinge gescheitert sind. ist es euch aufgefallen, dass die leute graz für etwas in der schweiz halten? mir ist aufgefallen, dass alle meine altersträume einen fahrbaren rasenmäher beinhalten: ich will eine emilia auf dem rasenmäher werden. man wird mir anhand der grasspur zickzack durch mein nichtgraz folgen können.

ich: emilia. wenn ich zurückkomme, kaufen wir hunderttausend heftklammern und ziehen los. heften grashalm an grashalm, ohrläppchen an ohrläppchen.

Du bist kein ernster Mensch

4. 7. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: soll ich dir meine geheimnisse verraten?

lotte: je mehr ich weiß, desto mehr ufer bist du mir um unser gewässer.

ich: lotte, ich meine es ernst.

lotte: ich habe dich zahlreich verloren.

ich: wir könnten aber unsere komplizenschaft vergrößern, wir könnten den fernseher ausschalten, wir könnten uns verstricken.

lotte: weißt du, ich liebe dich mehr so touristisch. uns touristen sind geheimnisse egal. wir wollen uns einfach vergewissern, dass alles dort steht, wo es stehen soll und so aussieht wie gegoogelt.

ich: was bin ich dann, rom? schwarzwald? transsib?

lotte: mehr so schwarzes meer.

ich: du liegst auf mir, ich trage dich.

lotte: nein, mann, Πόντος Ἄξεινος bist du, ungastliches meer.

emilia: nichts an mir ist geheimnis, außer meiner ehrlichkeit. die trägt keinen barcode, kein preisschild, keine kurzbeschreibung. ich habe betrogen, ich habe versprechen gebrochen, ich habe, von mir aus, auch gesündigt, und ich habe alles relativiert. will ich lügen, hebe ich sofort ab, steige auf, schwebe mit der leichten lüge über euren köpfen. soll ich euch meine lügen geheim machen?

ich: gut, dann lerne ich gastlichkeit, gut.