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Bildverwertung zur Steigerung der ästhetischen Leistung

18. 6. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: tel-aviv4.JPG

lotte: dein mich lieben besteht aus sicherheitsmaßnahmen.

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lotte: und je länger unsere versprechen zurückliegen, desto mehr wirst du mir in allem, was du tust und sagst, eine dia-show. es steht zwischen uns ein beziehungsführer, der bereist uns beide, unseren sex, unser schweigen, unsere extremsportartablenkungsversuche. und er erklärt dich mir, also er zeigt dias von dir und beschreibt, was darauf zu sehen ist.

ich: tel-aviv3.JPG

emilia: ich bin eine beziehungsführerin. ich bin eine firma.

ich: tel-aviv4.JPG

In einem Musical kannst du keine wirklichen Probleme haben

10. 6. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich, tel aviv, 4-8 juni.

ich: befremdung durch das verhalten eines anderen menschen (eine dunkelgelockte junge frau in einem gelben trägerkleid weint kompromißlos in ihr telefon) an einem, mir bis gerade eben fremden ort (garten des cafés sonya gaetzel shapira), wo wir uns jeweils alleine und in keiner weise zueinander verhalten haben, und dann klingelt ihr telefon (eine schöne frau, die weint, auflegt und die hand über die augen legt) und ich verstehe kein wort.

ich: andrew ist engländer, hat ein semester philosophie studiert und lebt seit drei monaten in tel aviv; er bestätigt sich das regelmäßig in seinem blog, die besucherzahlen steigen kontinuierlich, eine australische zeitung habe ihn neulich kontaktiert, ob er sich eine “richtige” (universeller code: das aufhängen der anführungsstriche mit zeige- und mittelfingern in der luft) kolumne vorstellen könne (gelacht habe er, sich aber auch geschmeichelt gefühlt). “Every morning”, sagt er, “I give myself a new task for the day – it’s like an urgent question in need for an answer – I blog the answer!” (“talk to a local about his joys and worries without mentioning your own”).

ich: zwei jungs kaufen in einem supermarkt eine kartoffel und eine packung strohhalme. es ist spät in der nacht.

ich: alleine reisen: eine ständige auseinandersetzung mit dem eigenen verhalten und mit dem hinterfragen des eigenen verhaltens und mit dem beobachten des hinterfragens des eigenen verhaltens (alleine an einem ort sitzen, an dem nicht alleine sitzen wesentlich angenehmer und angebrachter wäre, unter bäumen, auch palmen, in einem kleinen hinterhof, in dem eine schöne weinende frau aufsteht, um zu zahlen).

ich: “go to a cultural event and afterwards meet someone involved.”

ich: mit jemandem unaufälligen unterwegs sein (mit mir).

ich: nur von teelichtern beleuchtet und vom weichen hebräisch vertont, gärten, hinterhöfe, frisuren. ich bin ein auf spiel konzentriertes kleinkind (beobachte, notiere, trinke, esse – hauptsache: zu tun haben, denn hat man zu tun, stört man weniger), denn spielt man, hindert man seine körperhaltung daran, tatenlos auszusehen.

ich: in yafo am strand: eine junge nonne und ein junger soldat waten durch das seichte meer, sie schürzt ihr schwarzes Gewand über die Knie hoch, er trägt eine kurze olivgrüne hose (nicht alles resultiert aus einer laune, vieles ist schlicht und einfach bullshit).

ich: der alleinreisende (ich) ist abends auffälliger, mißt einem kurzen gespräch mit einer kellnerin eine wahnsinnsbedeutung bei.

ich: “eat something typical for israel, ask what it is, teach yourself how to prepare it.”

ich: mein beitrag zu den 5000 legenden über das schreiben: schreiben/notieren/recherchieren führt unterwegs dazu, dass man weniger sich selbst als ausgangssituation fürs nachdenken nimmt, dafür mehr die anderen bei ihrem nachdenken und einanderbeobachten kommentiert; eine art dialog entsteht, man führt ihn mit den entworfenen figuren (dem englischen blogschreiber), die figuren kratzen sich, harren konflikte aus, man bezieht sich dazu (zu ihren problemen) und schlägt so die zeit erfolgreicher tot als mit schüchternheit.

ich: alisah beginnt ihren nächsten satz mit: “das klingt jetzt vielleicht etwas faschistisch, aber”, und es folgt eine kleine patriotische einlage zum land, zum kampf, zur abgrenzung vom islam usw. auf alisahs handgelenk – ein rotes blumentatoo (schlecht auszumachen im dämmrigen licht dieser schönen bar namens ginzburg).

ich: leise sprechende sprecher sprechen sich vor einer kulisse aus bauhaus-gebäuden (helles rosa, beige) aus, eine katze kitzelt die tischbeine, schokoladensouffle mit vanilleeis (wie das schmeckt, heiß und kalt!), auf autowaschen wird nicht wert gelegt, in den fenster klemmen kleine blauweiße fahnen, und auch heute keine waffe in meiner tasche, ach tel aviv, shht, ein mittelmäßiges fernseh-drama im hotelzimmer, eine schale mit früchten, auch getrockneten, ganz in der nähe, und alisah mag die achtziger-musik.

ich: “discuss the political situation in middle east with somebody you meet for the second time, but then direct the conversation to something completely different, soccer or sunburn or being alone for example.”

Nahrungsaufnahme durch einen Schlauch

4. 6. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: ich fliege morgen nach israel.

lotte: das könnte gut sein gegen unser aneinandervorbeireden.

ich: und zwar ausschließlich tel aviv. jerusalem empfehlen mir alle. aber sie empfehlen es so, dass das touristische in ihrem mund nach einer paradigmatischen, quasipolitischen konspirativaussage klingt.

lotte: das wird unseren gewissheiten gut tun.

ich: gestern wollte ich zum frisör, aber dann hab ich doch entschieden, das haar genauso zu lang zu lassen wie es ist. man fährt nicht nach israel mit einem frischen haarschnitt.

lotte: mein gott, ich, bist du bescheuert! was für ein privileg, darüber überhaupt nachdenken zu können! was für eine bequemlichkeit!

ich: ich hab mir statt dessen ein hemd gekauft und endlich meine kragenweite herausgefunden. mit 38, da muss man so etwas schon auch wissen.

emilia: nichts, was ich tue, ist begriff von optimismus oder neid. auf rolltreppen werde ich überholt, in kulturbauten singen andere, ich bin beziehungs- und blutarm, mein öffentlicher protest gegen offensichtlich fiesen kram verändert absolut nichts, nicht einmal meinen größenwahn und meine ästhetische wertigkeit als gutmensch. neulich wollte ich einen rock anziehen, um für den sommer weiß zu sein, aber der rock hat sich dermaßen gewehrt, dass ich mich schließlich neben ihn, statt in ihn gezwängt habe. und so war ich dann unterwegs, ausgesprochen unchronologisch angezogen, und alles, was ich tat, wurde sofort begriff von pessimismus und mitleid.

ich: schon witzig, meine kragenweite ist meinem alter gleich.

An der Bernsteinküste wartet ein gemietetes Fahrrad auf mich

27. 5. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: lotte?

lotte: …

ich: weißt du, was ich gerade geträumt habe?

lotte: ja.

emilia: ich möchte aus meinen träumen ein kurort für müde linksaktivisten machen, sie zahlen online und die reisebusse sind klimatisiert. sie werden mit bircher-müsli eingerieben, bekommen ayurveda und babymassagen, und die duschen sind mit teppichen ausgelegt. auf dem programm stehen außerdem ausgiebige wanderungen durch meine traumlandschaften, die so ein wenig aussehen wie die schweiz auf überdosis koffein. und zum schluss gibt es einen tag G8.

lotte: ja.

ich: ich hab geträumt, wir hätten ein haus in frankreich. auf dem land. in der provence.

lotte: und?

ich: und mein handy fällt mir aus der hand und ein franzose – unser nachbar – hebt es auf und fragt mich, ob das handy gps hat. hats nich, sage ich, aber ich brauch das auch nicht.

lotte: und er?

ich: er so: wir reparieren morgen den atlantik.

lotte: das ist schön.

ich: und ich soll mitkommen und anlässlich der reparatur etwas aus dem roman lesen. da habe ich dann gesagt: ja, und dass ich kartoffeln und folie mitbringe für den grill.