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das war also der retzhof.

17. 9. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

am retzhof gibt es kernöl, das man gegen die sonne halten kann und man sieht sie nicht durch. das ist wichtig, das spricht für qualität. dieses wochenende war am retzhof ein workshop der jugend-literaturwerkstatt graz. das spricht auch für qualität. nur diesmal eben nicht irgendeiner, sondern eine romanwerkstatt. zu den üblichen werkstätten für acht- bis dreizehnjährige und vierzehn- bis achtzehnjährige ist dieser als neues projekt hinzu gekommen: für neunzehn- bis sechsundzwanzigjährige, die an ihren ersten romanentwürfen arbeiten. was schnell klar ist, ist dass ncihts in stein gemeißelt ist und man immer noch besser werden kann. mag sein, dass ich bereits zwei bücher geschrieben habe, aber kritikpunkte und vorschläge von elf personen zu erhalten öffnet möglichkeiten, insbesondere die möglichkeit das beste aus dem entwurf zu machen, den man bereits vorgelegt hat. auch dieser muss aber von vorneherein hand und fuß haben, ansonsten säße man nciht dort, die jury hätte einen nciht ausgesucht. neulinge mag die härte der kritikrunden überraschen, so zumindest jürgen hosemann – neu in der textbesprechungsrunde im gegensatz zu martin ohrt, johannes brodowski und georg petz – der am ersten abend etwas verstört dreinblickte, nachdem georg petz seine öffentliche lesung hatte, der es zwar an größerem publikum mangelte – der retzhof ist eben doch etwas abgelegen – aber nicht an diskutablen einwänden zu einzelnen textpassagen und struktur. georg petz kennt die werkstatt und weiß: alle autoren haben ihre schwächen. so auch wir teilnehmer. bis zum ende der woche hält sich auch jürgen hosemann nicht mehr zurück: sätze wie schlecht gepackte koffer würde ich schreiben. ein schönes bild. und wahr ist es auch. kritik macht besser und am besten ist man lernt das früh. wenn potential vorhanden ist, kann man weit kommen, kann schon anfangen, beim wettbewerb der werkstatt ab acht jahren (einsendeschluss ende september) und wenn man glück hat ist man dabei und darf dabei bleiben, bis nach oben zur romanwerkstatt. irgendwann.

stmk

13. 9. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

Ich steige ins Flugzeug ein und auf der Maschine (AUA/Tyrolian) steht: Steirisches Thermenland. Im Flieger werden auf einem kleinen Bildschirm die Anschlussflüge angezeigt, auch Odessa ist dabei, ich werde trotzdem nach Graz umsteigen, blättere im Standard und finde die Beilage zum steirischen Herbst. Nur das Aufsteirern muss man noch überstehen. Ich sitze das in entsprechender Distanz am Retzhof aus, dann kann der Herbst schon kommen.

ich warte auf eine vorladung

9. 9. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

die mir hier ins literarische colloquium geschickt wird. es handelt sich um eine etwas ominöse angelegenheit, zunächst allerdings die weniger ominösen details: ich stand brav in einer schlange um etwas zu essen zu bestellen, vor mir mehrere menschen, darunter eine frau mit kind und ich vermute deren mutter und eine freundin, zwei männer und ein weiteres kind und irgendwo muss noch eine ältere dame gewesen sein. neben mir zwei junge männer. die frauen ganz vorne verlassen verrichteter angelegenheiten mit dem bestellten essen die schlange und jene mutter spuckt einem der männer vor mir ins gesicht. ich bin mir nicht sicher, ob ich noch zeit hatte die augen vor erstaunen weit aufzureißen, da spuckt besagter mann bereits zurück, die frau geht auf ihn los, mit ihr die beiden anderen frauen, das kind steht verstört daneben, sie schlägt ihm ins gesicht er schlägt zurück, ich weiche großräumig (mindestens drei schritte) aus. hinter dem tresen kommen mehrere angestellte hervor, drängen die gäste auseinander, werfen den eben bespuckten mann hinaus, er habe eine frau geschlagen, das sei deutschland, er habe das lokal zu verlassen, in deutschland ginge so etwas nicht. er argumentiert, dass sie angefangen habe (ich bestätige: das hatte sie) und sie schreit, dass er lüge und sie die polizei sollten, sie werde anzeige erstatten. er wartet also am parkplatz. alle umstehenden sind sich einig: ja, das ginge so nicht, die polizei muss gerufen werden. ich gehe also vor die tür und beschließe auch zu warten, denn von allem was ich gesehen habe, kann ich seine reaktion verstehen. erfahre vor der tür, dass er nur mit seinem kleinen bruder und dem freund (ein amerikanischer tourist) hier etwas essen wollte. die frau habe die alte dame ganz vorne angepöbelt, die sich nach ermessen der frau vorgedrängt hatte, er hatte sie um mehr respekt gegenüber der dame gebeten und sie habe begonnen, ihn zu beschimpfen: er solle hingehen, wo er hergekommen sei und schauen, ob sein asylantrag noch nicht abgelaufen wäre. er hätte gar nicht geantwortet, da waren ja kinder und man sie ja vorbild. und so etwas sei ihm auch die letzten dreißig jahre noch nie passiert (immerhin). die frau geht drinnen noch auf und ab, immer wieder auf ihn deutend, sie humpelt jetzt und hält sich etwas an die wange. (ich denke, mir wäre aufgefallen, hätte er sie getreten., dann wäre ich wohl schnell bis vor die tür ausgewichen.) ich frage noch die beiden jungen männer, die neben mir standen, die nun im gastgarten saßen, ob sie auch warten würden, bis die polizei käme, aber sie schüttelten die köpfe, sie hätten gar nichts gesehen. das wäre nun, was ich an dem ganzen als ominös bezeichnen würde. oder wie es in “muttertag” so schön heißt: “es gibt nix schlimmeres, als wie wenn jemand siecht, dass du was gsehn hast.”

mag sein

6. 9. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

dass mich berlin nicht mag. aber potsdam liebt mich. gestern wurde der preis des M100 an erdem gündüz für die standing-man-performance verliehen. hauptredner ist robert menasse und die laudatio hält shermin langhoff. ich hatte befürchtet zu spät zu kommen, ich habe den weg von etwa eineinhalb kilometer bis zur orangerie des schlosses sanssouci von der bushaltestelle, die mir google nahe gelegt hatte in einer viertelstunde in stöckelschuhen zurück gelegt. ein wunder. die veranstaltung hatte noch nicht begonnen. ich stand nicht auf der liste der geladenen gäste, ich war keine teilnehmerin des m100 colloquiums und man hätte mich wohl gerne draußen gelassen, wie einen hund. aber nein: ich habe es in die festlichen räumlichkeiten geschafft und habe den reden gelauscht, zum thema, ob die medien europa zerstören, der europäischen idee im weg sind. robert menasse betritt die bühne, ältere männer neben mir lächeln, als wollten sie sagen “jaja, der schon wieder, der kann uns egal sein, wir wissen es doch besser.” in den folgenden minuten werden sie beginnen nervös auf ihren sesseln herum zu rutschen, ihnen gefällt nicht was sie hören, was sie schon längst vernommen hätten, hätten sie früher schon zuhören müssen. detailliert auseinandergesetzt zu bekommen, warum nicht die konzerne ein europa ohne grenzen wünschen und damit künftig die möglichkeit zu nehmen die europäische idee als instrument des neoliberalismus zu verstehen scheint ihnen nicht zu schmecken. auch schmeckte ihnen die laudatio, die sich mit der situation in der türkei befasste nicht. shermin langhoff sagte: aufzustehen ist ein zeichen des respekts. das ist der standing man. auch als sich das publikum für den standing man erhob, murrten die männer neben mir. europa hat zwei sprachen, denke ich mir da: verstehenwollen und nichtverstehenwollen. der emfpang im gästehaus des schlosses war nur für geladene gäste. die sitzplätze waren eingeteilt, man hatte einen strichcode vorzuzeigen. ich hatte keinen. später saß ich beim essen am ehrentisch. den kellner frage ich nebenbei, was er von der eu hält und er meint, er sei neutral und ich frage weiter, er wird doch wohl wissen, ob er die eu gut oder schlecht findet. “definitiv gut. früher immer mit pass machen lassen und all den grenzen…es ist schon viel besser jetzt.” europa rettet sich schon selber, denke ich nach diesem abend, auch wenn es manchen nicht passt. für den satz des kellners wäre ich am liebsten aufgestanden. stattdessen falle ich zufrieden gegen die lehne meines sessels. nur ein paar stunden habe ich in sanssouci verbracht und fühle mich minütlich dekadenter werden. nur nicht mehr aufstehen, schwirrt es mir durch den kopf. nur wenn es etwas wichtiges gibt.