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Dressing up for Steirischer Herbst 6

23. 9. 2016 // // Kategorie Randnotizen 2016

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Steirischer Herbst. Heute, heute!, beim Eröffnungsabend in der Helmut-List-Halle: Ronda hat bloß noch Augen für den Maulwurf, der an der Bar steht und Gin Tonic trinkt, »bitte herbstmild gemixt«. Ein grauer Kragen aus Spinnweben-Organza umschmeichelt Rondas Hals, eine Prise aus Salz und Schnee, erste Vorboten des noch fernen Winters, regnen und segeln aus ihrer Kette über ihr Kleid. Ein vorwitziges Glubschen sitzt auf ihrer Brust, das sich zur Hüfte und zum Schoß hin in ein Nieseln verwandelt.

Ronda hat Grund zur Freude, denn mit dem Maulwurf wird sie, innig umarmt, später noch dem »berührungslos gespielten Kultinstrument« Theremin lauschen, und die Dinge der Welt werden sich ihr bereits am nächsten Morgen ganz neu zeigen, ja, ganz neu.

Dressing up for Steirischer Herbst 5

16. 9. 2016 // // Kategorie Randnotizen 2016

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Steirischer Herbst, eine Stunde nach Mitternacht. Kelsy trägt ihr großkariertes Baumwollkleid in der Taille gebunden, dazu luxuriöse Shit-Pins auf die seitlichen Taschen appliziert, die stößchenweise ihren betörenden Duft absondern: eine skeptische Mischung aus »Z, z, z!« und schwarzen Fragezeichen. Während es aus dem V-Ausschnitt poolblau herausblubbert, formieren sich kristalline Kugeln und kirschrote Blasen um Kelsys Hals und Schultern, und die oben erwähnten Zeichen zerfallen zu freudig-schwarzen Konfetti.
Kelsy wird sich, bloß für ein Viertelstündchen, vom Festgeschehen entfernen, um am Jakominiplatz den Stillstand der Straßenbahnen, »Betriebsschluss«, zu betrauern. Es wird dabei noch zu früh sein, um auf den Bäcker zu warten, der im Laden gegenüber das dunkle, saftige, beinah fladendünne Roggenbrot anbietet. Sie wird die Griesgasse hinauf- und wieder hinunterlaufen, nein, sie wird zurückspazieren zum Eröffnungsabend und den Leuten vom Organisationskomitee Hallo sagen. In etwa so: »Hallo.«

Dressing up for Steirischer Herbst 4

5. 9. 2016 // // Kategorie Randnotizen 2016

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Steirischer Herbst, exakt zur Mitternacht am Eröffnungsabend. Shannons rot-lila-glitzerndes Kapuzen-Kleid hat um die Mitte zu glühen begonnen, während weiterhin tausend dottergelbe Asteroiden um ihre Taille und den Brustkorb fliegen, ohne dort zu landen. Die neureiche Grazer Hilmteich-Schickeria wirft ihr neidvolle Blicke zu, Shannon lacht und ein Teil ihrer ausradierten Zähne kommt als weißes Loch zum Vorschein. Ihre Augen glänzen, sie glänzen wie nie zuvor und auch wie niemals mehr danach, ach.
Shannon wird an der Bar eine volle Flasche Whisky stehlen, wird ihre supersupersuperhohen Stilettos ausziehen und barfuß durch die Altstadt laufen in Richtung Morellenfeldgasse. Dort wird sie durchs Fenster lugen, wo ihre älteste Kindheitsfreundin ein Zwillingspaar auf die Welt bringen wird. Just zur Mitternacht am Eröffnungsabend! Wenn das mal kein Zufall ist.

Dressing up for Steirischer Herbst 3

29. 6. 2016 // // Kategorie Randnotizen 2016

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Steirischer Herbst, noch immer am Eröffnungsabend.
Jenny F. wird in jeder Hand eine blau-türkis-gestreifte Kerze tragen, brennend. Zum neongrünen Pixelbart kombiniert sie zwei Marsmännchen mit zuckerglasierten Hütchen, denen schwarze Kügelchen aus den Mäulchen ploppen. Ihre Frisur pimpt sie pudrig-hellgrün auf, die Schürze hat sie vorne gebunden.
Bevor es losgeht, wird Jenny F. auf den Grazer Schloßberg wandern und dort oben auf die roten Dächer der Stadt hinuntergucken. Sie wird für 2 Minuten und 45 Sekunden an ihren Vater denken, der in Puntigam in einem Wohnwagen gelebt hat. Dann wird sie die Stufen hinuntersteigen, die Sackgasse Richtung Hauptplatz spazieren, sich in den Schaufenstern vom Kastner spiegeln und eine Schnute ziehen.