Archiv der Kategorie 'Randnotizen 2007'

What do you think? (3)

10. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: good morning.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit pute und trinkt evian: hi there.

ich: ist das pute?

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit pute und trinkt evian: nein, hühnchen.

ich: die salate hier sind schon ganz lecker.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: sie sagen es. ist das ding an?

ich: schon. ich wollte sie eigentlich schnell zwei sachen fragen, wenn das für sie okay ist, ein kleines interview für eine österreichische internetseite, genannt “scratched memorandum”.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: oh, österreich! ich war schon mal in österreich! setzen sie sich, setzen sie sich! mit meiner frau war ich in österreich, ein paar jahre ist das her, wir hatten eine gute zeit dort, servus! (lacht)

ich: ja, mensch, erstaunlich!

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: lassen sie mich kurz überlegen …

ich: kein problem, mach ich.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: … graz! so hieß die stadt! schon am flughafen haben wir festgestellt, das wasser hat in österreich eine viel bessere trinkqualität als bei uns in den vereinigten staaten.

ich: das wasser ist insgesamt enorm großartig, das unterschätzen viele leute überall auf der welt.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: wir waren in einem sehr schönen hotel untergebracht, kennen sie vielleicht, oldweenerhouf? oder war das in vienna? ich habe jedenfalls so viel wasser getrunken, dass mich das hotelpersonal damit aufgezogen hat! ach, das grazer wasser!

ich: das ist richtig, ich habe auch gehört, das wasser in graz sei unerreicht.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: sogar zum duschen! unter uns: meine haut hat sich nie davor und nie danach so gut angefühlt wie damals in graz. also, ich sage ihnen eins: wenn bush etwas klüger gewesen wäre, hätte er aufs öl geschissen und österreich besetzt.

ich: das ist natürlich reine spekulation.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: ich war sehr verliebt damals, wissen sie? meine frau, jennifer, und ich, wir haben in den weinbergen verrücktes angestellt. sie haben guten wein in graz, das kommt von dem guten wasser, und jennifer und ich haben in den weinbergen wein getrunken, das ist, als ob man hühnchen in einem hühnerkäfig isst. unsere liebe war gut und groß damals in graz und der umgebung.

ich: und jetzt? liebe ist alltag, 24 stunden am tag, sieben tage die woche?

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: das ist wie architektur, ja.

ich: was halten sie von der art wie sich grazer fassaden angucken?

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: wenn man nachts betrunken durch graz irrt, hat man hat das gefühl, man stört sie beim kuss, der gleich kommen muss.

ich: ich danke ihnen für das gespräch. servus.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: servus, my friend.

ich: servus.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: grüßen sie mir die moore und den regen, wenn sie mal wieder in graz sind.

ich: kann ich nicht machen, ich spreche ihre sprache nicht.

ein älterer gast des new york deli, er isst salat mit hühnchen und trinkt evian: sie witzeln, ja?

ich: es ist äußerst schwer, das wasser verstehen zu lernen.

Portable World

9. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

Buenos Aires. Sonntag, 30. September.

 

¨vorübergehend, flüchtig, vergänglich¨ sagt ein alter Mann zu seiner Frau, die ihn mit Astronautenaugen anschaut. Das alte Ehepaar sitzt am Zwillingstisch nebenan, und die beiden versuchen ein Kreuzworträtsel zu lösen während sie in der Sonne Kaffee trinken. Eine ganze Weile wiederholen sie die Definitionen laut, dann schauen sie ins Leere und zählen die Buchstaben. Nichts. Es fällt ihnen nichts ein. Also gehen sie zu einem anderen Wort über.

Auch ich schreibe Wörter in mein Heft und frühstücke in der Sonne unter alten Leuten, die Kreuzworträtsel lösen, Müttern mit ihren Babies mit Hut, verschwitzten Sportlern, blonden Frauen mit dunklen Brillen und Zwerghunden, Männern mit Schlafwandleraugen. Und ich denke, dass Sonntag morgens alle nackt sind und man ganz klar sehen kann, wer allein schläft, wer verliebt ist, wer im Spielkasino verloren hat, wer nicht schlafen kann.

Und ich betrachte mich von außen, an meinem Tisch sitzend mit meinem Heft und den hinten zusammengebundenen Haaren und merke, dass ich zur Gruppe derer gehöre, die am Sonntag allein aufstehen. Und ich denke, wenn ich meinen Freund, ein Baby oder einen Hund dabei hätte, wäre es auch nicht anders, denn am Ende ist man beim Schreiben immer allein. Und dann frage ich mich, ob ich wohl schreibe, um etwas mit meiner Einsamkeit anzufangen oder ob ich viel allein bin, weil ich gerne schreibe.

Und während die Sonne durch mein Haar dringt und von meinen Knien nach oben steigt, denke ich, dass dieser Moment ¨vorübergehend, flüchtig, vergänglich¨ ist, denn in ein paar Tagen muss ich meine Reise nach Österreich antreten mit einem seltsamen Heer, das sich zusammensetzt aus einem Baby, einem zwölfjährigen Mädchen, Schauspielern, Musikern und Technikern, und dass ich das Regiment führe und Angst habe. Ob man die Trilogie in der anderen Hemissphäre wohl fassungslos mit aufgerissenen Augen sehen wird? Kann ich wirklich alle mitnehmen und sie für Europa übersetzen, als ob sie meine tragbare Welt wären?

 

What do you think? (2)

8. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: hi.

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: hi.

ich: was tut dir leid?

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: kenne ich dich?

ich: es tut mir leid. ich bin saša. was tut dir leid?

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: okay, sasha, ich glaube nicht, dass ich mit dir darüber sprechen möchte, plus, ich glaube, dass ich gar nicht darüber sprechen möchte, augenscheinlich, denn sonst hätte ich es nicht auf das shirt drucken lassen, plus, ich glaube ganz unbedingt, dass ich nicht in ein mikro darüber sprechen möchte, ist das klar?

ich: gut. ja, gut, das ist wirklich alles nachzuvollziehen, das ist –

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: so, kann ich jetzt weiterlaufen?

ich: es ist eh gleich wieder rot, also vielleicht hast du zeit, ich hätte zwei-drei fragen, ich bin journalist, ich bin sehr berühmt und kriege preise.

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: aha, okay, gut für dich.

ich: ich weiß, es ist sehr nett.

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: du machst keine witze, richtig?

ich: doch, ach komm, natürlich. ich wollte dich bloß aufmuntern. du scheinst traurig. ganz als hättest du, ich weiß auch nicht, wie ich das sagen soll, als hättest du…

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: … einen grund, ein shirt zu tragen, auf dem “i’m sorry” steht?

ich: augenscheinlich.

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: well, sasha, lass mich dir etwas erzählen: ich hatte eine wirklich, wirklich beschissene woche. und heute, heute ist das mit dieser woche auch nicht viel besser. es beginnt gleich zu regnen, und der gleiche regen wird den kopf meines ex-freundes treffen und das macht mich irrsinnig traurig. ich unterhalte mich auf einer kreuzung und während mein puls rast, mit einem fremden, der mir keinen einzigen grund gibt, ihn nicht für völlig durchgeknallt zu halten, und wenn mich nicht alles täuscht, nimmt er das alles auch noch auf – meine traurigkeit, meinen frust, meine ungeduld. außerdem hat er einen ausländischen akzent, und das, ich will jetzt ganz ehrlich sein, macht mich ganz nervös. wie klingt das?

ich: weiß nicht, anhören werde ich es mir erst zuhause.

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: du raffst es wirklich nicht?

ich: schon, aber jetzt mal im ernst: was hältst du von dem beitrag „sos – state of sabotage”. inwiefern kann eine solche manifestation tatsächlich bestehende Systeme durch die aufhebung staatlich geregelter bodengüter und grenzziehungen unterwandern?

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: es ist grün. du machst mir angst.

ich: es tut mir leid.

eine junge frau, rotes t-shirt mit schwarzem “i’m sorry!”-schriftzug: bye.

ich: es war nicht so gemeint.

Mohrenwirt natürlich!

4. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

Was oben, nee, unten … – ich will und werde nie verstehen, warum in diesen Blogs das Neuste immer oben steht, es müßte doch UNTEN dran! Nun dünkt mich der ganze Computer- und Weltnetzzirkus sowieso recht analphabetisch geknüpft. Die mir bekannten und ganz besonders heftig an der Digitalraserei leidenden, sind durchweg keine Leser, Schulabbrecher, Studienabbrecher, schlecht genährt und auffallend blaß. (Letztes soll durch den dauernden bildschirmschen Photonenbeschuß verursacht werden.) Aber jut sind se!
Also unten und letztens hatte ich versprochen, meine Hirn mit Ei-Lokalität zu verraten. Da heute Ruhetag ist, kann ich es ruhigen Gewissens tun: Mohrenwirt, Mariahilferstraße.

mohrenwirt.jpg

Auf dem Foto links die seelenruhige, charmante Wirtin, daneben die liebenswürdige, einsatzfreudige Bedienung; der Chef fuhrwerkt unterdessen in der Küche herum und dafür seien ihm besonderer Segen und Dank ausgesprochen!

skulptur-kopie.JPG

Gestern jagte ich durch die Grazer Museen. Und heute stehe ich vor dieser naturwüchsigen, unprätentiösen, reinen Anmut. Hier heischt keiner nach Ruhm und Geld, hier trompetet keiner: Findet mich toll! Bin steilste Moderne! Bin wertvoll!
Nix da. Wir liefen uns über den Weg, am Kaiser-Jakob-Platz, sahen uns erstaunt an, verstanden uns auf der Stelle, wurden gleich Freunde; ich bat fotografieren zu dürfen.
„Bitte sehr!“
Dann verabschiedeten wir uns freundlich und anderntags steht dann da ein Marktstand. Fertig.
So einfach und erfreulich flüchtig kann die Kunstwelt sein.