SEI NICHT DU SELBST

26. 5. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

Das Stück heisst „Sei nicht Du selbst!“. Und wer gedacht hat, das sei jetzt die modische Umkehrung eines Schlachtrufs der letzten 40 Jahre, der hat vielleicht nicht ganz unrecht. Vor 40 Jahren, da wurde das Private politisch. Das hatte mit der Post-Nazi-Zeit zu tun, in der es als grösster Frevel galt, wenn man schwieg. Man musste sagen, was man denkt und dies auch ehrlich und direkt und nicht in irgendwelche Höflichkeitsformeln verpackt. Damit wäre man in die Nähe des Appeasements gerückt. Keine Form. Keine Manipulation. Es galt zu sagen, was man denkt. Es ging um die Konfrontation. Und es ging auch darum, dass man die eigene Minderheit, die jeder so mit sich rumträgt auch in die Öffentlichkeit mit einbringt. Also, das was sich hier (Kopf) drin oder hier (bauch) drin versteckte, musste raus. Es sollte jetzt draussen im öffentlichen Raum vorkommen. Man hat sich veröffentlich und ausgestellt. Und der Schlachtruf dieser Zeit war „Sei Du selbst“. In der Gesellschaft, aber auch in der Kunst und natürlich auch in der Ökonomie. Das Ziel war ein autonomes, selbstverantwortliches Subjekt. Es ging also darum, sich selbst zu sein, und wenn heute Leute wie Robert Pfaller oder Byung-Chul Han nach eine Restauration des Fiktionalen rufen, dann ist das gut und berechtig, aber sie sollten nicht vergessen, dass keine emanzipatorische Bewegung ohne die radikale Subjektivität des Selbsts möglich gewesen wäre. Ich persönlich habe wiederum nie an die Faktizität des Selbsts geglaubt. Man muss die Welt zum Fake verflüssigen, um sie verändern zu können.

Und heute ist der 26. Mai 2014.