прощай

27. 8. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

ich weigere mich zu packen. ich habe keine lust, denn sobald ich packe wird es echt. dann rückt es erst näher. und ich muss odessa verlassen um die nächsten monate in berlin zu verbringen. ich weiß nicht, ob ich einen guten deal gemacht habe. denn ich werde odessa vermissen. die wunderschönen abgefuckten prachtstraßen, die stöckelschuhe auf pflastersteinen, die nicht nur beine, sondern auch herzen brechen können. die männer, die einem türen aufhalten, in den mantel helfen, in der straßenbahn für mich aufstehen und mir einen arm anbieten, wenn ich halbrecherische schuhe trage, da mir die übung fehlt. ich werde vermissen, dass bauarbeiter höflich sind und den salzigen geruch, den der wind zwischen die straßen treibt, ja, das meer und was es mit sich bringt. auch die seeleute, die einen nach dem weg fragen und froh sind, jemanden getroffen zu haben, der englisch kann und sich dann ganz schrecklich wundern, dass man in einem land geboren werden konnte, das kein meer hat. zum trost schenken sie mir geschichten. ich werde die supermärkte vermissen, die rund um die uhr geöffnet haben und wie in odessa gewaschene wäsche über die straßen gehängt und schmutze wäsche auf der straße ausgebreitet wird. die acht meter breiten gehsteige, auf denen platz für schlangenlinien ist und die unverbarrikardierbar sind. ich werde vermissen, zuzuschauen wie die odessamama jeden mit offenen armen empfängt, der sich darauf einlässt und jeden der seine vorurteile bestätigt haben möchte umgehend dafür bestraft, wie eine mutter, die dem kind auf die finger klopft. ich werde die schlaglöcher in den straßen vermissen, aus denen manchmal musik zu kommen scheint.die kaffeehäuser und dass man hier keine eile hat. die strandstimmen, die “kaltes bier”, “süßer heißer mais” oder “shrimps” rufen, die man nur näher zu winken scheint. sogar meine kioskfrau werde ich vermissen, in ihrem blümchenkleid, dass mich an homer simpson erinnert, als er zuhause arbeitet – ebenso dick ist sie auch und ich weiß gar nicht, wie sie in ihren kiosk hineinkommt. wenn ich nur wenige wochen weg bin schnauzt sie mich an: “wo bist du gewesen, mädchen?” und ich stelle mir vor, dass sie sich gar nicht vom fleck bewegt hat, oder sie trägt ihren kiosk mit sich mit, als würde sie einen rock anheben. vielleicht geht sie damit manchmal zum hafen hinunter und segelt ein stück damit. ich werde die hunde vermissen, die straßenköter, die mich nachts begleiten, als sei es ihre aufgabe auf mich aufzupassen und böse werden, wenn ich neben dem zebrastreifen über die straße gehe anstatt darauf, oder abends auf dem treppenabsatz meines wohnhauses thronen wie bestellte wächter. mein rudel, das mit den kindern im haus fröhlich kläffend um die wette läuft. auch die markthunde, die dicker sind als alle anderen und die märkte, auf denen man sich durchkosten kann. die katzen in den buchläden und den obstständen, die sich nicht verkaufen lassen. den luxus werde ich vermissen und den dreck. die odessitische hitze und im winter das eingefrorene meer. die kalten sätze und warmen umarmungen. ganz bestimmt packe ich meinen koffer noch. aber berlin, sei gut zu mir. denn hierher zurück packt er sich von allein.