PROFAMILIA::: LADOLCEVITA

13. 6. 2014 // // Kategorie Randnotizen 2014

 

pro familia_foto

 

wir waren opernsängerinnen und lebten in hotels.

jeden abend gingen wir aus und lobten einander für unsere hart erarbeiteten stimmen, die uns gehörten wie anderen teure wägen, gewichtige posten.

wir liebten einander kreuz und quer, in vielen konstellationen, in vielen städten, an vielen plätzen.

wir standen modell. ließen uns malen in adretten posen, in schweren kostümen. die bilder hingen an den wänden der pausengänge der opernhäuser dieser welt: wir sahen uns an.

manchmal kam uns eine klare idee, die wir langsam, bedächtig und ein wenig schwerfällig formulierten, die wir einander schenkten wie ein zufällig gefundenes bündel, ein kleines kostbares ding, das uns rasch wieder abhanden kommen würde, da waren wir sicher — !

Domenico war der freimütigste:
oft vergaß er seine verpflichtungen, kam zu spät in die probe, hinterließ aber stets einen scherz, eine opulente geschichte, ein schönes kompliment überall, wo er sich blicken ließ. jeder konnte ihm alles verzeihen, ihm seine unzuverlässigkeiten nachsehen und alle mochten ihn schließlich ob seiner federleichten art, und so ging sein name durch die orte, die bars, die lobbys, wurde weitergereicht wie ein offenes und doch delikates geheimnis, wie eine süße nachspeise, eine erträumte eskapade, die man sich gerne gegönnt hätte, hätte man sie nur berappen können, wäre sie einer nur zugefallen wie ein lotterielos, das auch tatsächlich gewann —   /    [Domenico ließ sich nicht halten]

 
Sonja war disziplinierter, dachte jahr um jahr öfter an die zukunft ihrer stimme, wollte für sich sorgen, hatte pläne für die zeit nach dieser blase, die ihr leben vielleicht genau jetzt war (ja?), und kultivierte eine stirnfalte,
eine kleine depression,
eine schwierige fernbeziehung,
einen empfindlichen magen.