Der Anblick eines Menschen, dem man lange mit geschlossenen Augen zugehört hat, kann überraschen

20. 7. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

barcelona, 11-15. Juli

ich: mein ganzer kopf war so, dass ich, hätte ich noch mehr ideen und nervosität und macht bei mir gehabt, gut als karl-heinz rummenigge oder rudi dutschke oder karl VI durchgekommen wäre. gefragt, welcher von den dreien mir persönlich am liebsten wäre, wüsste ich, jetzt, da ich darüber nachdenke, sofort eine antwort. in barcelona, in den gassen von barceloneta, mit A. und M. und J. und einer mitternachtstorte, mit dem schweiß auf dem nicht mehr so käsigfabenen arm, mit vier in völlig falsche richtung geschickten engländern, da wäre ich am liebsten der noch nicht tote gewesen.

ich: mein ganzes leben lang reite ich auf eingebungen. auf einer rodeo-ebene sind das meine bullen. da sitze ich dann und sage dinge wie “easy fella”. die eingebungen stört mein weinerliches gehabe. sie wollen diese menge an bemessener wichtigkeit nicht haben, sie wehren sich. jegliche resistance is aber futile. wenn ich nicht auf eingebungen sitze, füttere ich sie oder gehe selbst mitternächtlich kuchen essen in barceloneta mit guten leuten. oder ich frage zehn spanier, von denen sich acht nicht als spanier entpuppen, was sie von graz halten.

ich: “what do you hold from graz?” sie: “what?”

ich: manche sagen auch “beg your pardon?”. nichts ekliger als überhöfliche menschen, da weiß man nie, wie man sie dissen soll.

ich: die beiden spanier antworten, sie verstehen kein englisch.

ich: in einem kleinen konfektionsgeschäft in el raval kaufen vier schweden und ich ein. von den vier schweden sind drei schwedinnen anwesend. im grunde kaufen der schwede und ich ein, und die drei schwedinnen sehen uns zu. es ist seltsam, diese kopfsackgasse, in die man läuft, wenn man das wort “schwedinnen” denkt. am angenehmsten ist der augenblick, als der schwede ein hemd anprobiert, das ich gerade an hatte. ich reiche es ihm, nachdem ich fand, dass man mein brusthaar darunter als schemen zu deutlich sieht. er zieht es an – und jetzt kommt der angenehmste augenblick: es passt ihm hervorragend. eine der schwedinnen steht auf und küßt ihn zur belohnung.

ich: von den zehn spaniern, die ich frage, was sie von graz halten, sagt ein engländer: “partyyy!!!”. ich verwickle ihn sofort in ein längeres gespräch, um ihn vehement von diesem irrtum abzubringen.

ich: woody allen dreht mit scarlett johansson in barcelona einen film. M. und ich gehen an einem der drehorte vorbei. hunderte von menschen lecken eis. die filmcrew hat muskeln und geht zum catering wagen. die filmcrew trägt schwarze t-shirts. sie bekommt das, was sie bestellt. ich frage eine spanierin, was los sei. die engländerin sagt, woody allen und scarlett johansson drehen einen film. ich frage, ob sie sehr glücklich darüber sei und was sie von graz halte. sie antwortet nicht sofort.

ich: drei stunden später reite ich wieder allein auf meinem eingebungsbullen durch barcelona. überall tapas. überall himmel. man entkommt dem system nicht. ich habe kopfschmerzen. “do you serve rudi dutschke?”, frage ich in einer tapas-bar. “yes, of course”, sagt der engländer. draußen läuft der doch sehr kleine woody allen vorbei, umgeben von der schwarzbeshirteten filmcrew. ich zucke mein handy und fotografiere die systematisch sinnvoll arrangierten tapas auf meinem teller.