Ein Bier zwei Kippen zwei zehn

5. 9. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

, wurde erzählt, steht in Stein graviert über dem Eingang, und somit hätten wir ihn gefunden. Es kommt weniger auf den Einfall an, so sinngemäß Oswald Eggers Wortbeitrag zum Vortrag von Sandro Zanetti auf der Tagung der Bücherwürmer, als auf den Winkel, und der ist, bei aller errechenbaren Variation, konstant. Andere Leute sagen Umdrehungen, da wird mir aber schwindlig. Ich arbeite gerne mit Beschleunigung, aber die schönsten Räusche bauen sich langsam nach und nach über den Tag auf. Sodass man fest auf ihnen in den neuen Tag fährt. Und obwohl die Bande nah sind und gefährlich, weißt du in der fiktiven Schnelligkeit, dass du nicht gegen sie fahren wirst, sondern beständig geradeaus. Dies auch in den Bergen. Plötzlich, unweit vom Gipfel, spürst du wieder, dass du weißt, wie man geht. Ein Fuß vor den anderen. Und zwar auf dem Weg, den du dir selbst aus der Karte gepult hast und den erst deine komischen Schritte von einer zaghaften Vermutung zu konkreter Stütze oder Ausrutschunterlage und auch, gleichzeitig, zu Geschichte werden.

wir bekommen einen neuen asphalt

Als der Frank und ich durch das Dorf Oberlana stiefelten, kamen uns Blasmusikkapellen und Madonnen, bunte Familien und zigtausende Bürgermeister entgegen. Frank hatte seinen Fuß verletzt, indem wir am Vortag mit einem Pflasterstein Fußball gespielt hatten und humpelte wie sau. Eigentlich wie ein Baletttänzer eher, im Tierreich vielleicht: wie eine junge Muräne. Die Zeichnung seiner Haut würde durch den Vergleich mit diesem Langfisch ganz gut beschrieben sein, denn er ist über und über mit ziemlich schlechten Tattoos bedeckt. Flammen in Neonfarben; eine hawaianische Frau, deren monströsen Brüste notdürftig durch eine Blumenkette bedeckt werden, umfasst mit der rechten Hand den Stempel einer Hibiskusblüte. Doch dies soll nicht zu einer Ekphrasis werden, die so langweilig ist wie die berühmte Beschreibung des Schilds des Achill. Ich werde mir bloß noch erlauben, mich darüber zu wundern, dass die Zentralperspektive so wenig in die Tätowierkunst Eingang gefunden hat. Muss aber auch zugeben, dass es, Teufelskreis Höllenschlund, einfach so ein Zirkel ist, dass man ohne Zentralperspektive wirklich sehr schwer den Eingang findet. Klar ist aber, dass es mit dem Ausgang immer noch schwerer ist. Plötzlich erinnerte ich mich an die Jungfrau gestern Abend, das chinesische Schnapstässchen, in dessen Mitte sich eine gläserne Sphäre befand, durch die man, so man richtig schaute, die verschwommenen Konturen einer Nackten erkennen konnte. So etwa wie seine Mutter durch die Wellglastür. Später schaute ich wieder hinein, es wurde zum Tick, aber sie war nicht mehr da. Nie. Das erinnerte mich an das neue Kunstwerk von Johannes Vogl, das er mir im Atelier vorführte. Eine geschwärzte Gurkendose mit einer durch den Deckel gefädelten Leuchtdiode. Das Kunstwerk geht so, dass der Künstler einen anweist, genau und trotz der Schwierigkeiten mit den Schlieren des Geschwärzten, in das Gurkenglas hineinzuschauen. Nach ein Paar Minuten gibt er einem den Tipp, es wäre da ein Paar an einem See im Mondlicht, das sich küsst, zu sehen. Wer vermutet, da sei gar nichts drinnen, irrt vollkommen, nur ist man ziemlich unfähig, es zu sehen, obwohl der Künstler die Wahrheit sagt. In dieser dunklen, ungewissen Differenz liegt die Kunstigkeit drin, würde ich meinen, aber angeblich hat Jos Galerist vorgeschlagen, noch ein wenig daran zu arbeiten. Den Punkt herauszuarbeiten.
Tarwater ist die schweigsamste Band der Welt. Sie scheinen sich wie Wale mit dunklen Vibes zu verständigen. Ab und zu werden Getränke ausgetauscht, Informationen eingeholt. Dann merkt man, jemand löst tief im Fond Kreuzworträtsel. Im Biergarten vor der Abfahrt spielte ein Kind im Trampolin, ein trister Alleinunterhalter, ein Multiinstrumentalist, schrammte lustlos seine Gitarre oder lutschte an einer Trompete zum Playback von einem ganz schönen Lied zum nächsten. Der erste Tag nach der Ewigkeit, Baden in Liebe und Lust, weil du so schön bist bleib ich dir treu, ahoi. Frank konnte das meiste mitsingen. Überhaupt schien Tarwater Frank dabei zu haben, damit irgendwer mal Gespräche am Laufen hielt. Im Siebensitzer war das dann sehr angenehm, wie die das machten, Papenfuß legte gute schwere Musik auf und wir starrten alle wohl zufrieden aus dem Fenster auf die Berge. Hier nörgelte nur der Grappa, und sogar der hielt sich in Grenzen. Ich schloss die Augen. Tote Hühner rasselten im schnellen Waal an mir vorbei, bis ich nichts mehr wusste. Später, als wir die durch besonders zügige Fahrtsitten gewonnene Zeit in der Baiz verprassten, fand ich heraus, wer Stone ist, der die fantastischen Infinitivgedichte geschrieben hat, die im letzten Gegner stehen, den man aus dem Grund schon allein versuchen sollte zu bekommen. Man bekommt ihn, indem man aus der Baiz rausgeht, schräg über die Straße läuft, nicht von einer Straßenbahn oder einem Taxi überfahren wird, ins Burger hineingeht, sich an den Tresen lehnt und dann irgendwie so einen Satz formuliert.