Drei, vier Welten allein in Graz

3. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

Franz von Sales, der Siebenundsechziger (1567 – 1622) eröffnet seine Philothea solchermaßen:
„Mein lieber Leser, ich bitte dich, lies dieses Vorwort zu deiner und meiner Befriedigung: Die Blumenbinderin Glykera verstand es so geschickt, ihre Blumen auf mannigfaltige Art zusammenzustellen, daß der Maler Pausias, der die verschiedenen Sträuße zu malen versuchte, nicht imstande war, ihre stets neue Farbenpracht so auf die Leinwand zu bringen, wie sie Glykera durch geschickte Anordnung der Blumen hervorzauberte.“
Ist das nicht schön angefangen?
Und wenn ich, wie jeden frühen Morgen in Graz, mich ins Franziskanerkloster setze, beherzige ich seine Worte:
„Es ist wichtig, jeden Tag eine halbe Stunde auf Gott zu hören. Es sei denn, du hast besonders viel zu tun. Dann ist eine Stunde notwendig.“
Dann lege ich meinen Zeigefinger, wie zuzeiten unendliche Male zuvor und immer noch alle hier taten, in die Kerbe am Fenster des Kreuzganges und erweise verneigt dem Herrn und seiner Mutter die Ehre.

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Martin Kippenberger, der Dreiundfünfziger (1953 – 1997), ihm bleibt das letzte Jahrhundert, Jahrtausend, hat eine Ausstellung im Kunsthaus Graz. Ich weine ihm nach; er war der beste am Ende jener Ära. Kaum, daß wir einen Scheffel Salz miteinander aßen, starb er davon, der Krebs fraß ihn weg.

Alle Welt belobigt das Kunsthaus. Wäre es fleischfarben, sähe es jeder: es schaut aus, wie eine grob gerupfte Gänsebrust. Natürlich nur von oben.
Moderne Architektur verfügt von ganz oben. Unten krauchen wir Menschlein rum, schleichen umher und sehen die schöne blaue Gänsebrust nur in den Prospekten.

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Meine Lieblingsecke am Kunsthaus befindet sich Lendkai Ecke Kosaken: Hier kann sich der Herumschleicher und Kraucher, das arme Menschlein für den Fall der Übelkeit bedeckt erbrechen, notfalls sogar auch groß?
Ignoramus et ignorabimus, so der Achtzehner (1818 – 1896) Emil Heinrich Du Bois-Reymond, auch er ein Großer, oder auf gut deutschhugenottisch: On ne sais pas!