Portable World

9. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

Buenos Aires. Sonntag, 30. September.

 

¨vorübergehend, flüchtig, vergänglich¨ sagt ein alter Mann zu seiner Frau, die ihn mit Astronautenaugen anschaut. Das alte Ehepaar sitzt am Zwillingstisch nebenan, und die beiden versuchen ein Kreuzworträtsel zu lösen während sie in der Sonne Kaffee trinken. Eine ganze Weile wiederholen sie die Definitionen laut, dann schauen sie ins Leere und zählen die Buchstaben. Nichts. Es fällt ihnen nichts ein. Also gehen sie zu einem anderen Wort über.

Auch ich schreibe Wörter in mein Heft und frühstücke in der Sonne unter alten Leuten, die Kreuzworträtsel lösen, Müttern mit ihren Babies mit Hut, verschwitzten Sportlern, blonden Frauen mit dunklen Brillen und Zwerghunden, Männern mit Schlafwandleraugen. Und ich denke, dass Sonntag morgens alle nackt sind und man ganz klar sehen kann, wer allein schläft, wer verliebt ist, wer im Spielkasino verloren hat, wer nicht schlafen kann.

Und ich betrachte mich von außen, an meinem Tisch sitzend mit meinem Heft und den hinten zusammengebundenen Haaren und merke, dass ich zur Gruppe derer gehöre, die am Sonntag allein aufstehen. Und ich denke, wenn ich meinen Freund, ein Baby oder einen Hund dabei hätte, wäre es auch nicht anders, denn am Ende ist man beim Schreiben immer allein. Und dann frage ich mich, ob ich wohl schreibe, um etwas mit meiner Einsamkeit anzufangen oder ob ich viel allein bin, weil ich gerne schreibe.

Und während die Sonne durch mein Haar dringt und von meinen Knien nach oben steigt, denke ich, dass dieser Moment ¨vorübergehend, flüchtig, vergänglich¨ ist, denn in ein paar Tagen muss ich meine Reise nach Österreich antreten mit einem seltsamen Heer, das sich zusammensetzt aus einem Baby, einem zwölfjährigen Mädchen, Schauspielern, Musikern und Technikern, und dass ich das Regiment führe und Angst habe. Ob man die Trilogie in der anderen Hemissphäre wohl fassungslos mit aufgerissenen Augen sehen wird? Kann ich wirklich alle mitnehmen und sie für Europa übersetzen, als ob sie meine tragbare Welt wären?