Notizen aus Kuba

6. 8. 2012 // // Kategorie Randnotizen 2012

In Kuba kein einziges mal ins internet geschafft, nütze aber die erste Gelegenheit, noch auf der Rückreise, am Flughafen in Frankfurt, meine Notizen zu veröffentlichen.
Gestern sind wir aus Havanna nach Trinidad gekommen. 6 Stunden mit dem Bus durch endlose Zuckerrohr Plantagen, gesäumt von Propagandatafeln.
In Havanna.
In Havanna angekommen, mussten wir eine andere Casa Particular nehmen als geplant, denn diese lag in dem Stadtteil, der schon seit 4 Tagen keinen Strom hatte. Es gab einen großen Sturm, der die Leitung unterbrach. Die Stromleitungen sind sehr alt (so wie vieles in Havanna), und man hat seit Tagen versucht, diese zu reparieren.
Aber unsere neue Casa war auch sehr nett. Casa Particular bedeutet einer der ersten Schritte Richtung Privatsektor: seit neuestem dürfen Privatpersonen Zimmer in ihren Häusern an Ausländer vermieten. Es sind meistens 1 bis 2 Zimmer, die vermietet werden, man lebt quasi in der Familie. Auf unserer ganzen reise werden wir Casas nehmen, keine Hotels. Ist viel besser und billiger.
In Havanna heißt es arbeiten. Früh morgens, als meine Tochter noch geschlafen hat, habe ich mit der Kamera den Brot Verkäufer begleitet, der mit seinem kleinen schiebbaren wagen durch die Stadt unterwegs war. Die Arbeit wird heißen “Brot für Havanna”.
Tagsüber waren wir auf den Spuren von dem legendären film Soy Cuba, einer sowjetisch- kubanischen Produktion aus 1963. Der film ist Saga der kubanischen Revolution, Ergebnis der Arbeit zweier im Aufbau des Sozialismus verbundenen Nationen, im schönsten realsozialistischen Stil neu kreiert. Die Arbeit an dem film dauerte über zwei Jahre. Regie führte Michael Kalatozov.

Wir haben Originalschauplätze des Filmes gesucht und gefunden, mit Leuten vor Ort gesprochen sowie den Cowriter Enrique Pineda Barnet interviewt, der damals zusammen mit Evruschenko das Skript geschrieben hat. Eine fantastische, charismatische Person; hat bei 45 filmen Regie gemacht. Ich wünsche mir sehr, seine filme bald mal nach Österreich bringen zu können. Als wir gingen, hat er gesagt, sein Haus ist nun auch unser Haus. Er erzählte äusserst interessante Geschichten über die Entstehung des Filmes, war aber sehr zurückhaltend, als ich nach seiner Meinung über die Gegenwart und Zukunft Kubas fragte.
Das Ergebnis dieser Dreharbeiten sieht man ebenfalls in meiner Ausstellung in der Camera Austria im Herbst.

Bald gehts weiter nach Santiago de Cuba. Man hat uns zwar davor gewarnt, von dort sind gerade viele Cholera Fälle gemeldet worden. Cholera kommt aus dem benachbarten Haiti.
Aber wir wollen die staatlichen Feierlichkeiten sowie Karneval nicht vermissen, die dieses Wochenende dort stattfinden, wie jedes Jahr, 26. Juli wird als Jahrestag der Revolution gefeiert. Raul wird dort vor dem Volk eine rede halten und es wird landesweit übertragen.
Von Santiago aus startete Fidel mit seinen 116 Gefährten am 26. Juli 1953 den (erfolglosen) Überfall auf die Moncada-Kaserne und brachte damit eine Reihe von Ereignissen in Gang, die den Lauf der kubanischen Revolution verändern sollten.
Ausserdem möchte ich mir das Kino, Teatro Cuba, anschauen, wo die Premiere von Soy Cuba stattgefunden hat (nach einer Woche wurde zwar der film von der Leinwand genommen und nie wieder gezeigt, und in der Sowjetunion gar verboten). Neuentdeckt und groß gemacht wurde der film in den 90er von Martin Scorsese.
In Santiago de Cuba. Gestern hier angekommen, nach einer 9 stündigen Taxifahrt. Die Stadt ist voll von menschen wegen den Feierlichkeiten, kein Bett frei. Die Casa, wo wir schlafen, ist auch ausgebucht, und die Besitzer haben uns freundlicherweise ihr Ehebett überlassen, und selbst auf der Matratze im Vorzimmer geschlafen.

Tagsüber Moncada-Kaserne und Festung El Morro, die als Verteidigungsanlage gegen Piraten gebaut wurde, auch als Militär Gefängnis, wie die von Monte Cristo, diente und auch der war Ort wo Spanier vor Amerikanern 1898 Niederlage erlitten haben.
Abends Bier auf der Terrasse von Hotel Casa Grande, die im Graham Greene Roman “Our Man in Havana” vorkommt, und nachts Karneval. Der Karneval war fantastisch, Kubaner tanzen wortwörtlich ab dem Zeitpunkt wo sie stehen können.
Am nächsten tag kam ein Kontrolleur ins haus, vom  Komitee zur Verteidigung der Revolution, und wollte unsere Pässe und Visa sehen. Unsere Gastgeber haben ziemlich blass ausgeschaut, alles lief aber gut.
Comites de defensa de la revolution sind die kleinsten Zellen der kubanischen Revolution, diese wurden 1960 von Castro gegründet um Augen und Ohren der Revolution zu sein. Das Komitee ist jeweils zuständig für einen Straßenblock, hält die Genossen ideologisch auf der Spur.

Morgen geht weiter ins berüchtigte Guantanamo und weiter nach Baracoa.
In Guantanamo angekommen, aus dem Bus ausgestiegen, eine runde um den überfüllten unfreundlichen Busbahnhof gedreht und gleich wieder zurück zum Bus, der noch zum Glück pause gemacht hat, und den Fahrer gefragt, ob er uns doch nicht gleich weiter, bis Baracoa mitnimmt. Ich hatte plötzlich angst, dass wir nie aus diesem Ort rauskommen. Der Fahrer war sehr froh paar konvertibles schwarz zu verdienen und sagte sofort ja (bei kubanischem Durchschnittseinkommen von 15 und Höchsteinkommen von 25 Dollar in Monat).

Was ich die letzen Tage über Guantanamo rausgefunden habe: den weltweiten Protesten zu verdanken, sind die meisten Insassen, vermeintliche  al-Qaeda Mitglieder, verlegt bzw. freigelassen worden mangels Beweise. Im Moment sitzen zirka 170 Gefangene, trotz dem Obama Versprechen, diesen schwarzen Fleck in der Geschichte der US zu beenden. Fidel forderte 1959 nach der Revolution das gebiet von den Amerikanern zurück, die es nach dem spanisch-nordamerikanischen Krieg für sich eingeräumt haben und dort einen US Marinestützpunkt installiert haben, aber vergebens. Amerikaner haben es behalten und nun zum traurig bekannten Ort gemacht.

In Baracoa angekommen (5 stunden Busfahrt), weiter geht nicht, das ist die östlichste Siedlung Kubas, und auch die älteste. War frühere so was wie Sibirien in Kuba, hierher hat man Andersdenkende geschickt.
In der Naehe von Baracoa ging Kolumbus ans Land und schrieb in sein Tagebuch “das schönste Land das Menschen je gesehen haben”.
Sind im wunderschönen kolonialen Haus einquartiert, das schönste und besterhaltene Haus in der Stadt. Die Familie, bei der wir wohnen, ist sehr nett.
Man kann auf der Veranda in den Schaukelstühlen sitzen, aufs Meer und den Hauptplatz schauen. Hier in der Gegend gibt es fast keine Autos, mann hört nur vorbeifahrende Pferdekutschen, und manchmal die Kirchenglocken, als wäre die zeit stehen geblieben.
Aber gleichzeitig fast mehr als noch in Santiago oder in Havanna Propaganda Graffiti (die politischen Sprüche sind in Kuba generell meistens an die Wände gemalt). Wie etwa: “stets werden wir treue Verteidiger des Sozialismus sein; “der Sieg war, ist und wird immer unser sein”; “es lebe Fidel und Raul” und sogar  ”Sozialismus oder Tod”.
Dafür aber gar keine Werbung! Ebenfalls fast kein Konsum und gar kein Abfall: alles kann repariert, verkauft, eingetauscht oder an Tiere verfüttert werden.

Sowjetunion wurde für 3 Jahrzehnte Kubas Mäzen. Als Fiedel 1961 angefangen hat in seinem Land den Sozialismus aufzubauen, hat er die Sowjetunion als Orientierung genommen. Das erkenne ich in jeder Propaganda Tafel wieder, es ist für mich wie in meine Kindheit versetzt worden zu sein (nur dass es hier ausserdem viel Sonne, Meer und Salsa gibt).
Dann zerfiel die Sowjetunion und Kuba stürzte in eine Krise. Fidel ruf eine Sonderpreise in Friedenszeiten aus. Eine quasi Kriegswirtschaft. Lebensmittel waren nur noch über das staatliche Rationierungsbüchlein erhältlich und es fehlte an allem, sogar an Brot.
Als wir vor 2 Jahren das erste mal in Kuba waren, haben uns mehrmals Leute auf der Straße angesprochen und gebeten, ihnen in einem Geschäft für Ausländer, wo man nur mit Convertibles zahlen kann, Milch zu kaufen.
Ein guter Witz über Kuba: die drei größten erfolge der kubanischen Revolution sind Bildung, Gesundheit und Sport. Die drei größten Misserfolge: Frühstück, Mittagessen und Abendessen.
Diesmal hatte ich das Gefühl, die Versorgung ist etwas besser geworden, bis ich heute in ein Geschäft reingeschaut habe und die große Warteschlange sah und eine Frau in der Warteschlange erklärte mir, dass der Kugelschreiber der Verkäuferin keine Tinte mehr hatte und sie deswegen nicht mehr bedienen kann und ob ich nicht einen dabei hätte.
Was aber neu ist, dass man Leute mit Mobiltelefonen sieht. Raul erlaubte den Verkauf von Computern und Mobiltelefonen an Kubaner, was vorher nur Ausländern vorbehalten war (trotzdem ist internet immer noch ein großer Luxus, schon seit 10 Tagen hatten wir keine Möglichkeit welches zu benützen).

Im Moment sind es meinen Wissens noch 50 Politgefangene in Kuba. Es gibt hier den Begriff “schwarzer Frühling”, als 2003 mehrere kritisch denkende im ganzen Land verhaftet und inhaftiert worden waren. Einige wurden seitdem frei gelassen, aber eben nicht alle.
Ein Freund von mir, Desiderio Navarro, ein intellektueller Linke, Herausgeber von Criteria, Übersetzter aus 20 sprachen, den ich beim letzten mal in Havanna kennengelernt habe, als ich ihn neulich anschrieb, um ihn wieder zu sehen, schrieb er mir sehr designiert zurück, dass er neulich in der Öffentlichkeit  als amerikanischer Spion verleumdet worden und nun bis September in Krakau ist.
Desiderio vertritt die Ansicht: Sozialismus ohne Kritik und ohne kollektive Beteiligung hat keine Perspektive mehr und und hat mit seinen offenen Briefen an Kubas Intellektuelle einige Diskussionen ausgelöst.

20 km von Baracoa entfernt gibt es einen der schönsten und einsamsten Strände Kubas. Als wir am Sonntag dort waren, waren viele Einheimische da, direkt hinter uns wurde ein Schwein geschlachtet um unmittelbar danach zum Spanferkel zu werden, und am Montag war es ganz leer und still. Die Straße dorthin ist aber angeblich die schlechteste in ganz Kuba. Und die nehmen wir morgen auf dem weg nach Moa und weiter nach Gibara.
Sind in Gibara, einem kleinen Fischerort angekommen (5 stunden Taxifahrt) und bleiben hier bis zur Abreise. Dieser Ort wurde 2008 von dem Hurrikan Ike am schlimmsten getroffen, man sieht immer noch die spuren davon.
Haben Moa passiert, eine sehr schmutzige Industriestadt wo Nikel abgebaut wird, mit einer besonders grossen und schönen Propagandatafel, Sozialismus oder Tod.
Übrigens dokumentiere ich alle diese Propagandagraffiti und – tafeln. Man sollte sie dann in einer Art Zeitkapsel aufheben, und rausheben, wenn dass alles in Kuba schon Geschichte ist. In Russland ging alles so schnell mit beseitigen der Symbole der Sowjetära.
In der Provinz, wo wir sind, wurde Fidel geboren. Hier hat er, als er alle Großgrundbesitzer enteignet hat, auch seine Mutter enteignet.

Morgen wollen wir zum Strand Pesquero, einerseits, weil es einer der schönsten Strände von Kuba ist,  andererseits weil dort die teuersten Touristenresorts sind (die haben wir bis jetzt gemieden). Ich möchte es mir gern anschauen. Bis vor kurzem durften Kubaner die Hotels, in welchen Ausländer waren, nicht betreten.
Der Strand hat sich wirklich als wunderschön Neon Türkis gezeigt. Nur liegt die Anlage abseits der Wohnorte, wie ein Getto. Am ende des Tages ist es sehr langweilig geworden.

Haben hier vieles verschenk, weil es hier den Leuten an allem fehlt, von meiner Fotokamera über unsere Handtücher, Kugelschreiber, Gewand, Bücher bis hin zu unserer gebrauchten Seife.
Mit leichtem Gepäck geht es morgen zurück
Viva Cuba!