man ist so freundlich – habe ich etwas im gesicht?

4. 9. 2013 // // Kategorie Randnotizen 2013

ich habe an einer supermarktkasse ewig gebraucht, weil der scanner mit der simkarte, die ich kaufen wollte nichts anfangen konnte. ich sage dem kassierer, er könnte ja erstmal die wartende kundin hinter mir betreuen und sich dann um das nicht-funktionierende kümmern. ich hatte schon gerechnet von ihr angeschnauzt zu werden, glaubte aber, sie würde sich zurückhalten. ich habe ja zeit. klar, sollte man sich auch lassen, beim simkartenkauf (ich habe mich für diese simkarte, dieses anbieters entschieden, da sie auch mein lieblingsduschgel im regal hatten). die kundin bedankt sich überschwänglich bei mir und streichelt mir, nochmals danke sagend, beim hinausgehen die schulter und ich bin verstört. ich bin verstört ständig angelächelt zu werden, dass alle hilfsbereit und zuvorkommend sind und mit meiner österreichischen sozialisation und erziehung zum misstrauen denke ich mir: kann das denn sein? oder habe ich vielleicht irgendetwas im gesicht, essensreste oder ähnliches und man be-lächelt mich, anstatt mich anzulächeln. ein mitleidslächeln, oder eines aus schadenfreude. in österreich kennt man das dauergelächel aus höflichkeit. und wenn der andere sich umdreht, lässt man die mundwinkel entspannt fallen, man hat seine schuldigkeit getan. ich schaue also zurück – der kassier lächelt immer noch. ich lächle auch, ich bin ja höflich, wie man das in österreich wär. mein stirnrunzeln sieht nur der würscheltmann mit dem bunten schirm über dem Kopf, der die würschtel vor der tür des geschäfts in seinem bauchladen grillt. da lächelt auch der wieder und ich mache mich auf die suche nach einer spiegelnden oberfläche, stelle aber nichts ungewöhnliches in meinem gesicht fest. diese deutschen….das spiegelbild schüttelt den kopf. in der ukraine wäre das nochmal anders. wenn dort jemand so lächelt steht er oder sie vermutlich unter drogen. die pflicht eines ukrainischen kassierers ist es, ein gesicht zu machen, als hätte man ihn beleidigt. nicht zu lächeln, wenn jemand etwas im gesicht hat ist die kür. irgendetwas stimmt hier nicht. bei der abendveranstaltung im literarischen colloquium versuche ich mich anzupasssen, lächle großzügig nach links und rechts wie ein karussellpferdchen und habe angst vor dem drohenden wangenmuskelkater am nächsten tag, gesichtskrämpfen und dass mir das so bleiben könnte. ganz durchschaut habe ich es allerdings immer noch nicht.