DERYA

28. 6. 2014 // // Kategorie Randnotizen 2014

Derya ging zielstrebig los. Eilte wie die geballte faust eigentlich durchs gelände, durch die einkaufszentren, die an den peripherien der stadt wuchsen wie gefährliches gewebe, stapfte durch sonnenstudios, autowaschanlangen, menschenparks, kinosäle, büros. Die schweren bücher, die sie am rücken trug, stießen fester, schmerzvoller gegen die wirbelsäule, je schneller sie lief.

Derya verletzte die straßenverkehrsordnung, ihre aufsichtspflicht (dem kleinen gegenüber), den gesunden (gesündesten!) verstand. Das also war ihr fieber: Ein groll, eine angst, ein neuer tag. Die stadtsilhouette verlor ecken, kanten, das verbindliche, das verlässliche, erschien ihr irgendwann verwaschen wie im aquarell, löste sich leicht an den rändern vom ganzen wie ein locker gehäkelter faden. Ohne regel, ohne rhythmus fielen Derya jetzt die sequenzen der letzten wochen zu und diese erinnerungen waren dreist & gemein, traten auf wie üble charaktere im tragischen stück. Der groll, dachte Derya, müsse sich fassen und formulieren lassen, irgendwann, müsse am genick zu packen sein und in die zelle verfrachtet werden können, von wo aus er sich – passabel zumindest – beherrschen, halten, bannen, abfotografieren ließ, und abführen in die akten !

Derya machte eine pause, streckte sich auf der parkbank aus, döste ein wenig. Bald schon träumte sie vom ausgleich, von der genugtuung, von klaren, waagrechten verhältnissen. Der weg dorthin, sagte ein kleines tier in diesem traum, sei jedenfalls eines nicht:
einsam, abgeschieden
& gerade. //