Sehr geehrte Frau Fachlehrerin
13. 7. 2016 // Daniel Wisser // Kategorie Randnotizen 2016Obwohl Hobby-Dompteure und Amateur-Dressur googlebar sind, konnte ich beim Wühlen in der Wühlkiste einem Buch nicht widerstehen, das sich mit der (unter Anführungszeichen) weichen Tierdressur beschäftigt. Ich hoffte, darin eine neue Sprache zu entdecken.
In diesem Buch befand sich aber auch ein Brief, der Aufmerksamkeit verdient. Eine Liebesgeschichte aus dem Jahr 1968. Wir wollen die Anonymität der beteiligten Personen im vollem Umfang wahren.
Mir schien nun, besonders nach dem Hören einer Radio-Sendung über das Jahr 1968, dass ich, dem dieses Jahr, weil ich damals noch ungeboren war, erfahrungsmäßig nichts bedeutet, den Text in eine aktuellere, poetische Version bringen sollte und ich habe mich entschlossen, dabei völlig auf Musik zu verzichten:
sehr geehrte frau fachlehrerin
sehr geehrte frau fachlehrerin
sie kommen mit in letzter zeit oft in den sinn
sehr geehrte frau fachlehrerin
sie kommen mit in letzter zeit oft in den sinn
doch ich denke nicht daran dass sie an arme spenden
gratis unterrichten oder bücher versenden
doch ich denke nicht daran dass sie pullover stricken
kugelbahnen bauen oder hilfspakete schicken
sehr geehrte frau fachlehrerin
ich denke da ein wenig woanders hin
sehr geehrte frau fachlehrerin
sie kommen mit in letzter zeit oft in den sinn
ich weiß ja sie verstehen
das verhalten von rehen
ihnen ist auch häufig
die grammatik geläufig
ich weiß sie können viele sachen
anschaulich machen
die fortpflanzung von mücken
in worten ausdrücken
ich weiß ja sie können uns
den bären erklären
auch der bau vom dachs
ist teil ihres fachs
ich weiß ja für sie
ist das leben chemie
vermischt vielleicht mit ein wenig
stenografie
sehr geehrte frau fachlehrerin
aber ich denke jetzt woanders hin
sehr geehrte frau fachlehrerin
sie gehen mir seit vielen wochen nicht aus dem sinn