TRAUM MIT MESSERN

7. 9. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

Buenos Aires, 4. September

 

Samstag nacht habe ich geträumt, dass ein alter Mann die Tür zu meiner Wohnung mit einem Schlag aufstößt und mich ersticht. Ich hatte oft geträumt, dass man auf mich schießt, dass meine Wohnung Feuer fängt, dass ich vom Balkon falle, aber ich hatte noch nie diese Angst verspürt verletzt zu sein und zu wissen, dass man sterben wird.

Am Sonntag bin ich mit einem unsichtbaren Messer mitten in der Brust aufgestanden und zum Mittagessen zu meinen Eltern gegangen. Während wir einen Fisch mit Augen und Mund aßen, erzählte ich ihnen meinen Traum. Mein Vater legte mir nahe, das Türschloss auszuwechseln. Meine Mutter sagte, dass sie nie geträumt habe zu sterben, aber immer träumt sie stehe nackt auf einem öffentlichen Platz. Meine Schwester grinste und meinte ich müsste jetzt wohl ein neues Stück mit dem Titel “Traum mit Messern” schreiben.

Danach schweifte das Gespräch allmählich ab. Als wir beim Nachtisch saßen, fing meine Schwester an, mit meinen Eltern über ihre Hochzeit zu diskutieren. Sie hatte die Ellbogen auf dem Tisch und die Hände in den Haaren und versuchte zu erklären, dass sie schon zweihundert Personen auf der Einladungsliste habe und keine weiteren Leute mehr einladen könne. Meine Mutter aß Schokoladeeis mit bekleckerten Fingern wie ein siebenjähriges Mädchen. Irgendwann stand sie vom Tisch auf und fing an, uns die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen vorzulesen, die nach ihrem Gedächtnisverlust gemacht worden waren. Nebenbei, parallel zu diesem Auftritt, machte mein Vater Witze über die Hochzeit meiner Schwester und die Krankheit meiner Mutter, während er Wein trank bis er dunkelviolett gefärbte Lippen bekam.

Und ich betrachtete meine Familie wie durch eine Glasscheibe. Das Gespräch ging vom Traum mit den Messern zur Hochzeit meiner Schwester zur Krankheit meiner Mutter zur Ironie meines Vaters über, als ob alles Teil eines von einem drogensüchtigen Hund geschriebenen Drehbuchs wäre.