Berge

31. 8. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

Seitdem ich wieder in der Stadt bin, und das schon mehr als eine Woche, flattere ich herum als aufgescheuchtes Huhn, das ihre Federn in den Bergen gelassen hat. Die Berge rufen mich, auch wenn ich sie nicht erklettern möchte, nur ansehen. Ich habe mir für dieses Panorama ein Dirndl am kirchlichen Flohmarkt gekauft, darin habe ich mich wie eine Sennerin gefühlt, die von der Alm gekommen ist, damit sie gleich wieder auf die Alm und zur Kuh abrauscht, da unten hat sie nichts zu suchen, bei diesem Kaufrausch und wo es keinen Almrausch gibt. Jetzt komme ich mir wie damals verkleidet vor, jetzt, wo ich statt Berge meine mir fern vertraute Straßennachbarin beim täglichen Fensterputz sehe. Sie kann in meine Wohnung schauen, ich in ihre. Wie fleissig sie ist, jeden Tag Fenster putzen, Schmutz gibt es in dieser lauten Straße so viel, dass sich was ansammelt im Vierundzwanzigstundenrhythmus. Wenn sie wüsste, dass ihre Nachbarin von vis-à-vis eine Dirndlträgerin ist, staunen würde sie, bei der Trägheit, die sie bei ihr beobachtet, nur zwei bis drei mal im Jahr werden da die Fenster geputzt, aber Dirndl trägt sie, in den Bergen, damit sie sich auch einmal als Sennerin fühlt, wie die Schauspieler, die auch so gern in verschiedene Rollen hüpfen. Das ist aber noch nichts gegen die da oben in den Führungsetagen, diese Chefs mit ihren Golfschlägern, die sich abends gern von Dominas auspeitschen lassen, damit sie umso besser Bescheid wissen, was sie tagsüber mit ihren Untergebenen anstellen, und das wird dann auch noch Einfühlungsvermögen genannt, nein danke. Am Wochenende fährt sie ins flache Burgenland, das Dirndl bleibt am Kleider- bügel, da hüpft sie in die Rolle einer Städterin, die von einem Wochenendhaus am Land träumt in Jeans und Turnschuhen.