8.3.1987

14. 10. 2008 // // Kategorie Randnotizen 2008

März, März, März… Die ganze Zeit versuche ich, mich zu erinnern, was sich alles im März 2001 ereignet hat, aber kein Datum sticht besonders hervor. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir damals mit der BAD company die Premiere des Stückes 2Drei4 aufführten, dass ich parallel dazu das Drama Herumtreiber schrieb und dass ich viel mehr getrunken als gegessen habe, wahrscheinlich überzeugt davon, dass ich immer noch sowohl nüchtern als auch zu dick war.

Das einzige Datum im März, an das ich mich erinnere, ist der Internationale Frauentag, der 8. März 1987, als mein Vater in Folge einer Unachtsamkeit bei der Bedienung einer Maschine den Zeigefinger seiner rechten Hand verlor. An dem Tag kam er früher nach Hause, mit verbundener Hand. Er zog sich in sein Zimmer zurück. Meine Mutter hinter ihm her. Sie schlossen die Tür hinter sich und kamen erst am Abend wieder aus dem Zimmer. Ihre Augen waren gerötet.

Wir fragten Vater, was ihm passiert sei. Er antwortete: Nichts.

Und meine Mutter fügte hinzu: Er wird nicht einmal eine Entschädigung bekommen.

In den folgenden paar Tagen besuchte mein Vater Freunde und Verwandte und erzählte allen dieselbe traurige Geschichte, wie ihn ausgerechnet am Internationalen Frauentag die Maschine in der Fabrik verstümmelt hatte. Ich Ärmster. Meine Großmutter sagte ihm, er solle aufhören zu jammern und sich wie ein Mann benehmen. Und mein Großvater zog sein Hemd aus und zeigte ihm eine Schusswunde aus dem 2. Weltkrieg. Nach dieser Herausforderung wickelte mein Vater seinen Verband ab und zeigte seine Hand mit vier Fingern. Zum ersten Mal.

Mein Bruder sagte: Echt cool.

Mit der Zeit begann auch mein Vater, sich darüber lustig zu machen. Er ließ sich regelmäßig mit seiner Faust an Nase oder Ohr fotografieren, so dass es aussah, als pulte er in seinem Gehirn herum. Meine Mutter hasste solche Scherze und drohte ihm mit Scheidung, wenn er sich je in ihrer Gesellschaft fotografieren lasse, während er mit seinem amputierten Finger in der Nase bohrte.

Er hat es nie getan. Aber trotzdem ließen sie sich scheiden.

Darüber hinaus behielt meine Mutter Recht. Eine Entschädigung hat er nie bekommen.

Aus dem Kroatischen von Alida Bremer