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Café an hellem Sommernachmittag

10. 8. 2014 // // Kategorie Randnotizen 2014

Ich fahre an den Fenstern des Café Bazar vorüber. Weil ich in einem O-Bus sitze, bin ich ein wenig erhöht, dadurch gleicht mein Vorüberfahren einer Kamerafahrt, die vermeintlich zufällige Einblicke gewährt. Es ist ein heller Nachmittag, doch hinter den großen Glasscheiben herrscht das ewig gedämpfte Licht der Kaffeehäuser, in dem jeder, der eintritt, seine eigene Atmosphäre bekommt. Jeder, der sich an einem Tisch in eine Zeitung, ein Gespräch oder seine Gedanken vertieft, bekommt um sich eine runde Höhlung im Kaffeehauslicht, und auch das Glas, die Silbertabletts und die Flüssigkeiten schimmern. In meinem Sommernachmittag gleite ich vorüber und sehe die Gäste des Bazar vor ihren Tassen und ihren Gläsern, die Zeitungen in den unhandlichen Halterungen aufgestellt oder über den Tisch gebreitet. Ich sehe sie blättern, die meisten sitzen allein. Es sind vornehmlich Männer, sie tragen Anzug oder zumindest Sakko. Es ist ein Moment, in dem nur einzelne Tische besetzt sind und die Kellner sich gemächlich zwischen den Tischen hindurch bewegen. Einer steht und beschaut, das Kinn hochmütig ausgerichtet, seine Gäste.

Es ist wie ein Blick in eine Joseph Roth Kulisse. Es ist, als müsste jeden Moment der Bezirkshauptmann Trotta durch die Tür treten und an dem Tisch mit dem Schachbrett Platz nehmen. Es ist wie eine Kulisse, und der Bezirkshauptmann Trotta wäre ein Schauspieler, der das Näseln der Monarchie überzeugend beherrscht, und die Maskenbildnerin hätte ihm einen ausgezeichneten Backenbart gebastelt. Jeden Tag käme der Bezirkshauptmann ins Café zum Schachspiel, und der Schauspieler wäre ein Meister seines Fachs und würde im ganzen Auftreten des Bezirkshauptmannes die Routine dieses kaiserlich und königlichen Beamten vermitteln, das Lebensgefühl eines Mannes, der jeden Nachmittag zur selben Zeit an denselben Ort kommt und ihn jeden Tag zur selben Zeit wieder verlässt, um danach dasselbe wie jeden Tag zu dieser Zeit zu tun. Ein Mann, für den alles an seinem Platz ist. Als Zuseher würde man eintauchen in dieses Gefühl der Geordnetheit der Verhältnisse, einer Nostalgie anheimfallen, der Sehnsucht nach einer Welt, die von gestern ist. Man würde ihnen zusehen, dem Bezirkshauptmann und dem Doktor, wie sie die Figuren über das Brett bewegen, schweigen, auf den Zug des andern warten, während vor den Fenstern heller Sommertag ist und ein leichter Wind die Kastanienblätter bewegt. Es ist so, wie wir es von Roth kennen, wie es uns Musil erzählt und Zweig es beschreibt. In diesem Licht- und Schattenspiel, in der Kühle unter Kastanienbäumen und auf weißem Kies liegt die Ewigkeit.

Wenn wir uns aber von der Kamera nicht täuschen lassen wollen, sondern bei der nächsten Station den Bus verlassen und zurückgehen zum Café, dann sehen wir, dass vor den Scheiben Kräne aufgebaut sind, an denen hängen Scheinwerfer, die das ewig gedämpfte Licht erzeugen, das gar nicht von den altmodischen Lampen über den Kaffeehaustischen stammt. Die Kameras sind in toten Winkeln aufgebaut, die man vor uns verborgen hat, als wir vorübergefahren sind. Unter den runden Marmortischen verlaufen Kabel über den Boden, sind mit Klebeband befestigt und führen zu allerlei Geräten, Mikrofonen, von denen eines das Geräusch der Figuren auf dem Schachbrett aufzeichnet und ein anderes die Stimmen des Bezirkshauptmanns und des Doktors und ein drittes das leise Rauschen der Kastanienbäume.

Der Doktor ist nach draußen gegangen und raucht hastig eine Zigarette, denn im Café herrscht Rauchverbot. Der Bezirkshauptmann Trotta zupft an seinem aufgeklebten Bart, der entsetzlich juckt, und wischt über ein Smartphone, wobei ihn die ungewohnten Manschetten behindern, die er immer wieder ärgerlich zurükschiebt. Er ist umgeben von Lärm und Stimmengewirr, man ruft sich Anweisungen zu, die meisten halten Telefone an ihre Ohren und gestikulieren trotzdem. In einer Ecke sitzt eine Frau mit kurzen Haaren und Kopfhörern und brütet über einem winzigen Laptop. Sie denkt darüber nach, mit welchen Strategien sie den Film, der hier entsteht, in den sozialen Medien bewerben wird, zwischendurch schreibt sie Twittereinträge über den Dreh, um die künftigen Zuseher bereits jetzt an die Produktion zu binden. Sie ist auf der Suche nach einer Idee, um aus dem Film ein virales digitales Ereignis zu machen. Herr von Trotta hält sich das Smartphone ans Ohr und antwortet in unverkennbar steirischem Dialekt.

Die letzte Kaffeehausszene wird gedreht. Der Bart des Bezirkshauptmanns ist jetzt weiß. Herr von Trotta wartet hinter einer Kamera, während der Doktor schon vor dem Schachbrett Platz genommen hat. Eine junge Frau springt rasch hinzu und nimmt das neongrüne Feuerzeug vom Tisch, das der Doktor dort hingelegt hat, als er vom Rauchen zurückgekommen ist. Dann herrscht plötzlich völlige Stille. Der Bezirkshauptmann Trotta tritt an den Tisch, an dem der Doktor wartet. Der Bezirkshauptmann ist völlig verändert, er ist ein grandioser Schauspieler. Sein Kopf wackelt, der Zwicker flattert. “Mein Sohn ist tot”, sagt er.

Würde ich draußen an den Fenstern des Café Bazar vorbeifahren, ich sähe zwei alte Männer an einem Tisch sitzen. In mir würde die Erinnerung an etwas wach, das ich nie gekannt habe, das aber tief in mir eingelagert ist. Ein wenig ähnelt es im Charakter der Erinnerung an eine Traumsequenz, die einem so täuschend vorgaukelt, etwas tatsächlich erlebt zu haben. Wer weiß, vielleicht ist dieses Traumleben von größerer Wirkung, von tieferer Innerlichkeit als das vermeintlich Wirkliche. Etwas in mir würde angesprochen bei diesem Einblick ins Kaffeehaus, kurz würde ich hoffen, etwas habe überdauert und würde immer überdauern, doch im selben Moment spürte ich, dass es sich um eine Kulisse handelte, dass es nicht echt sei. Es war, als habe man die alten Männer und die jüngeren in ihren Sakkos, die Kellner und die Zeitungen in eine Szenerie gestellt, in der sie sich nun bemühten, etwas nachzuspielen, das ihnen vage bekannt sei, eine ferne Erinnerung, aber was da genau war, dass wissen sie nicht, die Essenz bekämen sie irgendwie nicht zu fassen.

Unterwasserboot

27. 7. 2014 // // Kategorie Randnotizen 2014

Wesen begegnen mir, die mich dazu bringen, über Wirklichkeit nachzudenken. Anstatt mich meinen Begriff von Wirklichkeit hinterfragen zu lassen, wie wir alle das von Zeit zu Zeit tun sollten, als Mittel gegen die Arroganz und die Selbstherrlichkeit und die Simplifizierung, wecken sie in mir das Gefühl, meine Wirklichkeit verteidigen zu müssen. Ich denke vorerst nicht über Wirklichkeit nach, sondern über diese Wesen.

Junge Menschen, die unvermutet vor meinem Fahrrad auftauchen und in träumerischer Langsamkeit den Radweg queren. Sie nehmen keine Notiz davon, dass ich abbremse und in einem Bogen um sie herumfahre, bemerken nicht meinen verärgerten Gesichtsausdruck und nicht, dass ich sie schließlich beobachte, fasziniert von der Erfahrung, ein Wesen aus einer anderen Welt durch den eigenen Lebensraum ziehen zu sehen. Sie leben offenbar in magischer Verbindung mit dem Gerät in ihrer Hand, egal ob es über dünne Kabel mit ihren Ohren verbunden ist oder nicht. Sie heben nicht den Blick, sie bewegen sich weiter, wie Fische in einem See. Irgendwann halten sie das Gerät in Höhe ihres Kopfes am ausgestreckten Arm von sich, und unter dem Blick ihres Gerätes beleben sie sich, sie lächeln, machen Kussmund, Schmollmund, fassen sich selbst ins Gesicht oder umarmen ein anderes Wesen, in dessen Begleitung sie unterwegs sind, und die ganze Zeit über bleibt die magische Verbindung mit dem Gerät aufrecht, nicht einen Moment wenden sie den Blick davon ab. Einmal tauchte ein solches Wesen so unvermittelt vor mir auf, dass ich schlitternd bremste, brüllte und direkt vor ihm zu stehen kam. Das Wesen, es war ein Mädchen, hat keinen Abwehrreflex gezeigt, es hat keinen Arm gegen die Gefahr ausgestreckt, aber es hat den Blick von dem Gerät in seiner rechten Hand gehoben, und seine Augen waren auf mich gerichtet. Es war aber nicht so, als sehe sie mich an. Atemlos schaute ich in dieses Gesicht und in diese Augen, die keine Spur von Furcht oder Schrecken aufwiesen, sondern nur einen Hauch von Verwunderung, als habe etwas sie gestreift, etwas Eigenartiges, Ungreifbares aus einer anderen Wirklichkeit, Proust hätte gesagt, eine Erinnerung. Und wie wir bei einer flüchtigen Erinnerung innehalten, für einen ganz kleinen Augenblick nur, während dem man aber in uns hineinsehen könnte, uns dann wieder abwenden, immer wenden wir uns instinktiv zur Seite, in eine andere Richtung, der Wirklichkeit zu, manchmal schütteln wir unwillkürlich den Kopf, so wandte dieses Mädchenwesen sich ab, beugte den Nacken und nahm den Blickkontakt zu ihrem Gerät wieder auf, drehte sich zur Seite und tauchte weiter wie ein Unterwasserboot, das die Umgebung nur über Messgeräte vermittelt, durch Kameras, Echolote und winzige Bullaugen aus dickem Glas wahrnimmt.

Der Begriff der Wirklichkeit war nie eindeutig, sondern immer heftig umkämpft, nicht nur zwischen Denkschulen, Disziplinen, nicht nur zwischen Gruppen und Individuen, sondern auch innerhalb des Einzelnen. Dass die Wirklichkeit ebenso schwindlig ist wie die Geschöpfe, die unablässig an ihr werken, ist nicht neu. Mir aber kommt der Verdacht, dass die Zweifel an der Wirklichkeit verschwindend sind, dass sie, die Wirklichkeit, eine Pauperisierung erfährt, zugleich mit einer großen Akzeptanz, wobei die Akzeptanz wie so oft viel Ignoranz in sich trägt. Die Wirklichkeit, die Schöne, Geheimnisvolle, die Vielschichtige, Tückische, Undurchschaubare, die Mystische, Hässliche, Grausame, Ungreifbare, interessiert gar niemanden mehr, denn es sind Wesen in ihr unterwegs, denen die Wirklichkeit nicht real genug zu sein scheint.

Verwegener Abendspaziergang

26. 6. 2014 // // Kategorie Randnotizen 2014

Ich mache einen abendlichen Spaziergang durch mein Viertel. Die Tage sind lang, obwohl es schon relativ spät ist, herrscht dieses weiche Dämmerlicht. Auch die Luft ist weich. Die Gassen sind ruhig, sie sind menschenleer. Hin und wieder ein Auto, die fahren hier langsam, weil sie Parkplatz suchen und weil die Gassen eng sind. Die Gehsteige sind an den meisten Stellen breit genug, um Stühle aufzustellen, auch kleine Tischchen hätten Platz, darauf könnte man eine Flasche Wein und ein paar Gläser stellen, vielleicht ein Schälchen mit Oliven. Im Gehen blicke ich an den Häusern hinauf. Nur selten steht ein Fenster offen, einmal sehe ich im ersten Stock einen Mann am Fenster, eine Hand am Ohr, er spricht.

Wahrscheinlich gibt es in vielen Häusern Fensterbänke, breit genug, um darauf zu sitzen. Bestimmt aber, das sehe ich, haben alle Wohnungen Fenster, die nicht vergittert und nicht zugenagelt sind. In den paar Gassen, durch die mich mein Abendspaziergang führt, gibt es geschätzte eintausend Fenster, von denen ich fünf geöffnet sehe. Fünf von tausend Fenstern, an denen man stehen, aus denen man sich beugen könnte, um zu sehen, was in der Gasse unten vor sich geht, Fenster, durch die man Geräusche und Gerüche in die Wohnung lassen könnte, durch die man den Sommerabend in sich aufnehmen könnte. An den fünf geöffneten Fenstern steht niemand, keiner beugt sich hinaus, nicht einmal ein bisschen, schon gar nicht zu weit.

Ich fühle mich seltsam gänzlich außerhalb. Ich fühle mich auf meinem Abendspaziergang eigenständig und wachsam und ein bisschen verwegen, ungefähr so habe ich mich auf meiner ersten Interrailreise gefühlt. Ich bin gekleidet in Hose und Pullover, Sommerschuhe an den Füßen. In meiner hinteren Hosentasche spüre ich meinen Schlüsselbund. Mein Viertel ist eine Wohngegend, die Menschen kommen am Nachmittag oder abends nachhause, sie haben Kinder, es gibt viele Pensionisten, die allein wohnen, betreut oder nicht. Immer wieder hängen Zettel aus mit unscharfen Fotos von Katzen, die entlaufen sind und verzweifelt gesucht werden, oft ist man bereit, Finderlohn für die Tiere zu bezahlen.

Durch den transparenten Vorhang einer ebenerdigen Wohnung, vor einem der fünf offenen Fenster, sehe ich einen alten Menschen im Schlafrock und in einem Rollstuhl sitzen. Als ich schon vorbei bin, drehe ich den Kopf noch einmal und sehe in der anderen Zimmerhälfte den Fernseher. Sieht nach Nachrichten aus. Auf der Terrasse eines Gasthauses sitzen Menschen an Tischen zusammen und reden leise. Die Geschäfte sind geschlossen. Vor einem Schaufenster steht eine Frau, als ich vorübergehe, schaue ich ihr über die Schulter. In der Vitrine des Installateurs Kowalski sind an der Wand verschiedene Lichtschaltermodelle angebracht, davor prangt ein Plastikblumenarrangement auf orangenem Grund. Ich sehe in drei Gassen drei Menschen, jeweils einzeln, die sind in Gespräche mit ihrem Handy vertieft und betrachten ihren Hund, der mit gegrätschten Hinterbeinen kotet.

Ich mache meinen Spaziergang an einem dieser seltenen Abende im Frühsommer, die so beglückend lang dauern und von Helligkeit und weicher Luft erfüllt sind. Ich gehe durch die Gassen meines Viertels, die mir vertraut sind, ich sehe sie alle Tage. Meinen Tag habe ich wie die meisten meiner Tage verbracht, und der morgige Tag erwartet mich wie der heutige. Ich wandere eine halbe Stunde durch die wohlbekannten Gassen und fühle mich außerhalb und eigenständig und verwegen wie damals auf Interrail. Ich bin in Hose und Pullover, Sommerschuhe an den Füßen. In der hinteren Hosentasche spüre ich meinen Schlüsselbund und ich fühle mich außerhalb und eigenständig und verwegen. Ich bin ohne Handy und ohne Geld aus dem Haus gegangen.

Überlegungen zur Information

16. 6. 2014 // // Kategorie Randnotizen 2014

Ich war am Lande, bin kürzlich zurückgekommen. Meinen Unmund hatte ich nicht mitgenommen aufs Land, ich hatte vor, zu schreiben, was ich auch tat. Ich habe keine Nachrichten gehört, nichts gesehen, keine Zeitung angerührt. Einmal habe ich im Gastgarten eine Frau beim Lesen der Süddeutschen gesehen und wurde von dem Impuls gepackt, das auch zu wollen, zu müssen. Dann wandte ich den Blick ab, sah über den See und dachte über dieses schlechte Gewissen nach. Immer wieder, wenn ich beschließe, die Tagespolitik nicht zu verfolgen und mich dem Informationsgeschäft zu entziehen, packt mich dieses schlechte Gewissen, das Gefühl, ignorant, egoistisch, bequem und unpolitisch zu sein. Dann versuche ich dieses schlechte Gewissen wegzumachen und argumentiere mit mir selbst.

Immer wieder erinnere ich mich an meine Zeit bei der Presse Agentur, als ich den ganzen Arbeitstag lang mit Informationen zu tun hatte. Damals war ich so am Laufenden, dass ich in jeder Diskussion zur Faktenberichtigung und Informationsreichung herangezogen wurde. Damals war ich so am Laufenden, dass meine seelische Gesundheit gefährdet war. Meine eigene Sprache hatte sich in einen Winkel verzogen, mein Schreiben stand auf dem Spiel, und ich war ständig von apokalyptischer Furcht erfüllt. Damals ist mir der Unmund zugelaufen, denn offenbar gab es einen riesigen, niemals zu stillenden Bedarf an diesem Informationssprachfluss, der in die Presse Agentur hinein und aus ihr hinausströmte, ohne Unterbrechung. Offenbar waren sehr viele Menschen von Sprache abhängig, nicht so, wie ich das gern gehabt hätte, aber doch, und ich brauchte den Unmund, um diese informative Fressucht untersuchen zu können.

Als ich vom Lande zurückkam, wartete der Unmund schon. Geschwächt lag er hinter der Wohnungstür und winselte zum Gotterbarmen. Ich hatte ihm zwar ein paar Happen mit Lachsfarben dagelassen, aber die alte Information hat für den Unmund keinen Nährwert, es muss neu sein, brandneu, Brandstiftung ist gut, in Serie am besten. Der Unmund muss das Gefühl haben, ganz nah am Puls der Zeit zu sein, damit er sich lebendig fühlt, sein eigener Puls ist abhängig von der Ereigniskette da draußen, jeder Anschlag ein Herzschlag, jeder Tote frisches Blut. Und deshalb liegt er jetzt da, der Unmund, und schaut mich vorwurfsvoll an, beinahe wäre er verhungert und verdurstet. Ich räume die eingetrockneten Blätter weg und setze mich mit einer frischen Zeitung zum Küchentisch, während der Unmund ungeduldig fiept und greint.

FPÖ würde bei Neuwahlen klaren Sieg einfahren.

Der Unmund jault entzückt, ich seufze und wünsche mich zurück an meinen See. Meine Daseinsfreude wendet sich ab, mein Unmund sabbert begeistert. Der Unmund würde FPÖ wählen, nur um der Geilheit willen, die er beim Lesen dieser Schlagzeilen empfindet. Beim Lesen dieser Schlagzeile kommt Gänsehaut auf, die Zukunft wird bedrohlich, Nazis stehen im Raum. Die FPÖ zu wählen ist des Unmunds bequemer Biedermeierterrorismus, die einzige Möglichkeit für ihn, Angst und Schrecken zu verbreiten, und am schönsten ist daran, dass er dann in der Zeitung lesen kann, wie sich die Leute vor Angst in die Hosen machen, die Leute, die der Unmund am meisten hasst, die Gscheiten, die Glaubendasssieetwasbesseressind.

Die Tagespresse dient nicht der Information, das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Sie dient der Selbstvergewisserung der Bevölkerung. In symbiotischer Art und Weise sind Informationsmedien und Medienkonsumenten und innen ihre gegenseitige Daseinsbestätigung. Die im eigentlichen Sinn unpolitisch gewordene Bevölkerung erfährt von ihrer Existenz nur noch durch die Nachrichten. Bei jeder Umfrage, die ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung ist, fürchtet diese Bevölkerung nicht um ihre leibliche Unversehrtheit, sondern klatscht jubilierend in die Hände, während sie quer und längs geschnitten, in Balkendiagrammen aufgestellt und in Tortenformen angelegt wird. Das Erkennen im Spiegel ist ein Merkmal höher entwickelter Lebewesen. Über das Spiegelstadium kommt die informationssüchtige Bevölkerung jedoch nicht hinaus.