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Zuerst Hunger und dann auch noch Durst

26. 8. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

Wir gehen dahin und der Fluss stolpert uns was vor. Beine und Arme, jeweilig zwei, sie baumeln, als hätten sie nichts anderes zu tun, die Beine sind zum Fortkommen gut, aber die Arme, nichts, so gar nichts will ihnen gelingen, kein Stricken, kein Nähen, das Können ist ihnen versagt. Sie wären bestimmt dafür bestimmt, doch bis in die Fingerspitzen spreizen sie sich vor jedem Tun, als wären sie was Besseres. Dabei sind es genetische Arbeitshände, das Blut in ihnen hat noch heute jeden Kartoffelacker gern. Die schäbigen Manieren, sie schlagen in die Salatschüssel, als wenn es morgen dann endgültig nichts mehr zu fressen gäbe, für feine Sitten tut man essen und wieder verschlungen werden grosse Mengen, weil, wer weiss, was in Zukunft blüht. Die Fettleibigen haben den Hunger von morgen in sich, die Trinker ahnen, jedes Meer trocknet irgendwann aus.

Situation

15. 8. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

In einer halben Stunde bin ich weg von Wien und hin zum Grundlsee, wo ich nach dem Wunsch einer Freundin gut grundeln möge, ich aber lieber dahintümpeln werde mit zwischenzeitigem Taumeln, meine Wanderbeine werden mich bestimmt mit so manchem Wurzelstolpern überraschen. Gestern habe ich mir fest vorgenommen, gestern zu schreiben, und je fester ich es mir vorgenommen habe, desto lieber bin ich mit von mir verehrten Musikern und Schauspielern im Gasthaus gesessen und sie haben mir erzählt, welche Sätze mir einfallen könnten, die Sätze flogen nur so hin und her. Ich habe diesen fliegenden Sätzen beim Fliegen zugesehen und heute sind sie allesamt weg, dabei habe ich mir gestern fest vorgenommen, dass ich sie beim Wegfliegen hindern werde, weil ich sie gestern für morgen aufschreiben werde. Nichts, weg sind sie wie ich jetzt weg sein werde für eine Woche an einem bekannt kaltschönen See.

Mit Milena im Gasthaus

5. 8. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

Mir ist schlecht vom Übel der Welt, nur bin ich froh, dass Milena Markovic nicht meinetwegen bankrott wird gehen müssen. Ich wäre in ihrem Gasthaus bestimmt ein Stammgast gewesen mit vielen Tränen und viel Wein, auch wenn meine Heimatsprache nicht ihre Heimatsprache ist, die der Hinderungsgrund für diese schöne Illusion ist. Es gibt in Wien fast keine Gasthäuser mehr, in denen man drauflosheulen kann, da kriegen die Gäste es mit der Angst zu tun und holen gleich die grüne Minna, wo kämen wir denn hin, wenn jeder seine Trauer ohne Zensur herzeigen könnte. Ein Entsetzen wäre das, nichts als heulende Gesichter, wo es den Leuten hierzulande noch immer wie im Schlaraffenland geht, wenn es einem hier nicht passt, kann er ja abhauen, wohin er will, und dort sein Geheule loswerden, dort gibt es dann auch Grund genug. Dabei kann gar nicht genug geheult werden. Würde mehr geweint, könnte das Tränensalz die Verhärtungen lösen. Aber so, so laufen wir alle herum mit Panzern, die sogar Panzern eine Abwehr bieten.

Abschied

2. 8. 2006 // // Kategorie Randnotizen 2006

In der Sprache ist Rache enthalten und Fluch in der Flucht, das Leben liest sich vom Ende her als Nebel, und auch der Friede verbindet sich mit dem Krieg in drei identen Buchstaben. Hölderlin hat das Urteil als “Ur-Teilen” begriffen, in der Abwehr ist eine Abkehr, was für mich bedeutet, das Wort ist schlau wie die Ziffer schlau ist. “Es bewegt sich.
Es bewegt sich nicht. Es ist weit und Es ist nahe. Es ist in all diesem und Es ist außerhalb von allem (Isa Upanischade)
Mir ist bewußt, dass ich diejenige bin, ob im Sprechen, ob in der Schrift, die eine Differenz von Welt und Ich über die Sprache erst macht.