Archiv der Kategorie 'Randnotizen 2007'

What do you think? (1)

3. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: hi

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: hi

ich: wie gehts.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: wie gehts.

ich: gut.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: was hast du mit dem mikrofon vor?

ich: oh, ich mache ein interview, eine kleine sache, zu graz und zum steirischen herbst.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: ist das sony?

ich: äh – yea, tatsächlich, sony, yea.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: ich glaub, ich hab auch so eins, darf ich …?

ich: äh – klar.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: das ist doch- ist das JE 520?

ich: mhm, habs erst vor kurzem gekauft. gutes teil.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: yea, total gut! meiner ist blau, “flow blue” eigentlich. das finde ich … so optimistisch, weißt du? als farbe.

ich: es ist sowieso – ja, danke – es ist sowieso, ich finde es jedenfalls, richtig schön, wenn die farben noch so ein attribut haben.

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: ja! etwas völlig ungewöhnliches und verrücktes! wie, also, wie “ruby red” oder “royal blue”! musst du lieben, royal blue! (lacht)

ich: definitiv! und in österreich sagen wir “postgelb”!

eine studentin der university of iowa, schlabbertrainingshose mit gelbem “iowa”-schriftzug auf dem arsch: postgelb? wow, das ist faszinierend, wow.

Drei, vier Welten allein in Graz

3. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

Franz von Sales, der Siebenundsechziger (1567 – 1622) eröffnet seine Philothea solchermaßen:
„Mein lieber Leser, ich bitte dich, lies dieses Vorwort zu deiner und meiner Befriedigung: Die Blumenbinderin Glykera verstand es so geschickt, ihre Blumen auf mannigfaltige Art zusammenzustellen, daß der Maler Pausias, der die verschiedenen Sträuße zu malen versuchte, nicht imstande war, ihre stets neue Farbenpracht so auf die Leinwand zu bringen, wie sie Glykera durch geschickte Anordnung der Blumen hervorzauberte.“
Ist das nicht schön angefangen?
Und wenn ich, wie jeden frühen Morgen in Graz, mich ins Franziskanerkloster setze, beherzige ich seine Worte:
„Es ist wichtig, jeden Tag eine halbe Stunde auf Gott zu hören. Es sei denn, du hast besonders viel zu tun. Dann ist eine Stunde notwendig.“
Dann lege ich meinen Zeigefinger, wie zuzeiten unendliche Male zuvor und immer noch alle hier taten, in die Kerbe am Fenster des Kreuzganges und erweise verneigt dem Herrn und seiner Mutter die Ehre.

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Martin Kippenberger, der Dreiundfünfziger (1953 – 1997), ihm bleibt das letzte Jahrhundert, Jahrtausend, hat eine Ausstellung im Kunsthaus Graz. Ich weine ihm nach; er war der beste am Ende jener Ära. Kaum, daß wir einen Scheffel Salz miteinander aßen, starb er davon, der Krebs fraß ihn weg.

Alle Welt belobigt das Kunsthaus. Wäre es fleischfarben, sähe es jeder: es schaut aus, wie eine grob gerupfte Gänsebrust. Natürlich nur von oben.
Moderne Architektur verfügt von ganz oben. Unten krauchen wir Menschlein rum, schleichen umher und sehen die schöne blaue Gänsebrust nur in den Prospekten.

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Meine Lieblingsecke am Kunsthaus befindet sich Lendkai Ecke Kosaken: Hier kann sich der Herumschleicher und Kraucher, das arme Menschlein für den Fall der Übelkeit bedeckt erbrechen, notfalls sogar auch groß?
Ignoramus et ignorabimus, so der Achtzehner (1818 – 1896) Emil Heinrich Du Bois-Reymond, auch er ein Großer, oder auf gut deutschhugenottisch: On ne sais pas!

What do you think?

2. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

ich: es ist zeit nach graz zurückzukehren.

lotte: hast du getrunken?

ich: es ist dienstlich, es ist herbst, im graz trifft sich die kunst auf einen verlängerten!

lotte: wirst du jetzt die poetologie dahinter verraten?

ich: der trick ist: physisch bleibe ich hier. beziehungsweise circa hier. denn ich werde das haus verlassen, das ich für unsere familie mit diesen meinen händen in die iowanische erde gerammt habe, und ich werde auf den straßen um das haus oder sogar zwei blöcke weiter, passanten von graz erzählen. und vom herbst! und vom verlängerten!

lotte: graz interessiert keine sau.

ich: falsch! wenn man nicht weiß, was das ist, graz, kann es einen auch nicht nicht interessieren!

lotte: mein gott, ich.

ich: noch besser: ich werde studenten der university of iowa interviewen, ich werde sie kritisch zum herbst befragen, zu graz, zur mur! ja, die mur!

emilia: ich akzeptiere den enthusiasmus als gefühlszustand nicht. scheiß happyness. scheiß jubelei. was soll das?

ich: das absurdeste, was man in graz machen kann: auf dem hauptplatz eine rede über innsbruck halten.

Parerga et Prolegomena Graziae, Grüß Gott!

2. 10. 2007 // // Kategorie Randnotizen 2007

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Und Danke! In Graz gibt es Speisen, von denen ich vermutet hatte, daß sie von Brüssel via Wien aus längst und strikt untersagt, geächtet, verboten oder zumindest horrend sanitärbesteuert seien.
All hier kartiere ich meinen Grazer Speisegang der letzten Tage:

Sonnabend trug man mir geröstete Nieren auf. Als Beigabe ordnete ich Reis an; er gewährt der Niere Raum und Eigenheit. Die angängige Bratkartoffel wollte mir wider die Niere all zu nebenbuhlerisch auftreten, die Salzkartoffen zu gewöhnlich; einen Kloß erwog ich und befand ihn als zu schwer. Und die Nudel hat hier überhaupt gar nichts verloren, die soll mal schön im Pastaschrank bleiben und schmollen (bouder, Boudoir).
Dazu gabs Bier.
Töricht die Nachspeise: ein Verhackertbrot. Es besteht aus einer mächtigen Schnitte guten Roggenbrotes, auf die sehr großzügig ein zu Schmalz vermahlener Schinken gegeben, seinerseits mit Knoblauchpaste bestrichen und in Streifen geschnitten wird, welche dann ein ganz Gönnerhafter, ein Euerget gar, in der Küche noch mit je einer Scheibe fester Steirer Hartwurst belegt. Gurke in sito.
Mamma mia! Dazu bedurfte es eines Fettzermalmes und also gabs einen.

Sonntag wollten mir mittags ein Paar Frankfurter mit Gulaschsaft hinreichen.
Dazu gabs 1 Bier.
Das sonntägliche Nachtmahl debütierte eine vortreffliche Knoblauchsuppe. (Überhaupt entzückt mich der großmütige Einsatz des Knoblauchs in den Grazer Kochstuben.) Danach ließ ich Hirn mit Ei auftragen. Ich wollte es, konnte es ja erst nicht glauben:
„Hirn gibs? Hirn?“
„Freilich!“
Und schon stand es vor mir. Meine Mutter und ich, wir mochten es sehr, sie machte es für uns beide, mit Ei, manchmal Tomaten. Bregen mit Ei war unser innigster Mutter-Kind-Schmaus. (Der Vater sah betreten zu.)
Ein, zwei Knochensplitterchen – bei der Bregenspeis sind sie unvermeidlich, der Bolzenschuß macht nun mal Splitter… – versetzten mich dann ganz in die Sentimentalität und ins Andenken. Beigaben ließ ich ganz sein; noch ein Semmelkrümel störte das gemütvolle Erleben und Besinnen zu sehr.
Dazu gabs Bier. (Und mein Schilcher-Sturm-Coming-out.)

Montags lies ich es mir angelegen sein, die Flecksuppe zu prüfen. Tomaten stärkten den Fond, Kümmel, Majoran, etwas Bohnenkraut (?) und Knoblauch gaben ihr den rechten Treibschlag.
Danach Selchfleisch mit Kren, meine erste Najajut-Bestellung.
Naja, jut! Dazu gabs ja wenigstens Bier.

Heute werde ich schlicht bleiben, eine gewöhnliche Frittatensuppe soll mir das alltägliche hiesige heurige Hausgulasch präludieren.
Und dazu wird’s Bier geben. Basta.

Wo speiste ich all solches?
Ich aß und trank all solches in einem, nur einem und meinem Grazer Gasthaus und Lieblingsgasthaus!
In welchem denn?
Sag ich nicht! Sonst gucken mir doch morgen alle beim grüblerischen Hirnfressen zu.
(Nach dem nächsten Mahl und beim nächsten Mal verrate ich es.)

Wo ich nun aber gewiß niemals und nicht reingehe, ist in die Galeriegaststube Finken zum Bierstift, so ein verfluchter Mistkitsch! Da ist mir doch jeder Karpfenkopp lieber! Und jedes karierte Pokalgeweih! Aber da strömen sie hin, ins Finke, der Joe und der Maik und die Silbergrauen und die Parvernükebsen, welche da heißen: Frau Doktor Doktor Doktor Henk-Knaup-Kaspers-Schnürsenkel und so.
Weiter. Nur weiter so! Von mir aus solln se alle hingehen. (Hocken se nich am Nebentisch. Und so.)

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Weiter: Wer, bitte, denkt sich solch ein Muster aus? Denkt der Ausdenker dabei überhaupt? Oder deliriert er einfach so vor sich hin: Schwipp, schwapp, Komma, Strich, fertig ist ne Sonne, nich!? Und bekommt dann solch einen Schrecken, ob seines vaginösen Sonneninnersten, daß er, der Gestalter, in die Zwischenräume sofort einen apollinischen Dämpfer in Gestalt vergitterter Fenster einmontiert.
Na, irgendwie so muß es gewesen sein. Die endgültige Raserei erledigt dann ja der Stoffdruck.