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15.8.2008

30. 8. 2008 // // Kategorie Randnotizen 2008

Mit Mariahimmelfahrt beginnt für mich immer der letzte Teil des Sommers. Das bedeutet, dass wir Richtung Süden fahren und die letzte große Hitze mitnehmen. Auch weiterhin denke ich an das Versprechen, dass ich Erik gegeben habe, nämlich für sein Projekt in Bern einige Worte über mein nächstes Drama zu schreiben. Einer meiner Professoren wiederholte oft, dass der Titel oder der erste Satz eines Textes drastisch die Möglichkeiten für alles, was sich später ereignen kann, verengen. Und ich habe immer Angst vor dieser Einengung.

Wie auch immer, ich schreibe an meinem Roman.

Ich schreibe und lösche.

Auf der Insel gehe ich meiner eingefahrenen Wege. Der Weg von Pharos zu den einsamen Buchten führt durch den altgrieschichen ager und durch den weißen Staub einer kilometerlangen, nicht asphaltierten Straße. Ich pflücke Origano, Rosmarin, Thymian, Immortellen und Salbei. Um mich herum erstrecken sich Gärten mit Oliven und dunklen Trauben. Dazwischen wachsen Feigen-, Zitronen-, Granatapfel-, Pfirsich- und Mandelbäume. Und im Hintergrund zeichnen sich die Umrisse der Inselberge ab. Der Natur ist das Leben, das ich hierher mitbringe, völlig gleichgültig. Manchmal vergesse ich es selbst.

Das Meer. Es wird nie aufhören, mich zu faszinieren. Wenn ich eintauche, erlaube ich dem Wasser, mich nach oben zu tragen, und ich betrachte dann das Glitzern der Meeresoberfläche von unten. Dann tausche ich hindurch. Das Meer und der Himmel verschmelzen in derselben Farbe. Unendlich blau.

Maike, eine Journalistin vom Deutschlandradio, die ich auf der Insel getroffen habe, fragte mich, warum ich so eine starke Bindung zu den Orten an der Küste habe. Ich antwortete ihr, dass das Leben am Meer zu einem Mangel an Ambitionen führt, und ich könne am besten vollständig frei von Ambitionen arbeiten, ohne vorgegebene Normen und Ziele. Nur mit Neugier und ohne jeden Gedanken daran, ob die Ergebnisse akzeptiert werden. Was ich andererseits auch als eine gewisse Form von Mut erlebe. Wahrscheinlich bin ich deshalb nach Hvar anstatt nach Chile gefahren.

Die Insel ist heiß und still. Zwischen mir und mir gibt es beinahe niemanden. Nur vor ein paar Tagen traf ich auf der Terrasse eine Mischung aus Löwe und Tiger, während ich mit Wasser verdünnten Wein trank und an einem Textentwurf für Erik arbeitete. Ansonsten bin ich allein.

Ans dem Kroatischen von Alida Bremer

12. 8. 1974

12. 8. 2008 // // Kategorie Randnotizen 2008

Heute hat Goran Geburtstag. Ich wiederhole es, um es nicht zu vergessen. Einst schien es mir undenkbar, den Geburtstag meines Bruders zu vergessen, vor allem deshalb, weil die Daten unserer beiden Geburtstage eine zahlenmäßige Zufälligkeit beinhalten, die mich an ihn erinnern kann. Der Tag seiner Geburt ist identisch mit dem Monat meiner Geburt, und der Monat seiner Geburt ist identisch mit der Zahl meines Tages.

Und doch vergessen wir es. Immer häufiger. Vielleicht weil die Zeit fliegt.

Eigentlich steht sie zunächst einmal. Und steht. Oder bestenfalls schleppt sie sich irgendwie zum achtzehnten Geburtstag. Und dann hebt sie ab.

Was die Geburtstage betrifft, erinnere ich mich nur noch an den achtzehnten. Mein Bruder und ich hatten bizarre Wünsche, doch da wir volljährig wurden, versprachen uns die Eltern, uns entgegen zu kommen. Goran wünschte sich, dass sich die ganze Familie in unserer kleinen Wohnung versammeln sollte. Menschen, die wir nie zuvor gesehen hatten. Und ich wünschte mir zu meinem achtzehnten Geburtstag, dass mein Vater sich seinen Schnurrbart abrasieren sollte. So dass wir auch ihn endlich sehen konnten.

Der Geburtstag meines Bruders endete im Streit und mit zerschlagenen Gläsern, und das unbekannte Gesicht des rasierten Vaters entblößte die Tatsche, dass hinter dem Schnurrbart ein Schneidezahn fehlte.

Ich will damit sagen, dass wir in unserer Familie die wichtigen Daten immer verbaselt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn ich ihn am Ende nicht einmal anrufe.

Aus dem Kroatischen von Alida Bremer

403 v. Chr.

12. 8. 2008 // // Kategorie Randnotizen 2008

Ununterbrochen denke ich über Die Bakchen von Euripides nach, die ich neulich in Split gesehen habe. Zum Teil deshalb, weil alle Beteiligten meine Freunde sind, zum Teil aber auch deshalb, weil Petercol verantwortlich war für die Raum- und Lichtgestaltung, so dass ich von Anfang an in den ganzen Prozess eingetaucht war – ob als zufällige Zeugin von Verabredungen oder als Beraterin und Beichtmutter oder als aktive Teilnehmerin an den Diskussionen, die kurz vor der Premiere um diese Vorstellung entflammt sind.

Dieses Ereignis kann man einfach auf das nebulöse Denken und die engstirnige Weltanschauung der Leitung eines Festivals mit provinziellen ästhetischen Wurzeln reduzieren, in dessen Rahmen Die Bakchen gespielt werden sollte. Die Leitung war von Anfang an verängstigt aufgrund der ideologischen Haltung der Autorengruppe. Euripides Text aus dem Jahre 403 v. Chr., in dem jedes scheinbar gerechte Urteil in einen blutigen Akt verwandelt wird, was erneut zu einem scheinbar gerechten Urteil führt, handelt beinahe illustrativ auch von den Kriegsverbrechen, die sich – natürlich im Namen der Gerechtigkeit –1993 in Split abgespielt haben. Die Autoren wollten mit den Namen der damaligen Opfer und unter Verwendung einiger Fernsehdokumente auf diese lokalen Ereignisse anspielen. Doch in einer Atmosphäre, die geprägt war von Missverständnissen, Misstrauen und ständigen Konflikten, erschien auf der Website des Festivals einen Tag vor der Premiere ein offizielles Schreiben, in dem bekannt gegeben wurde, dass die Premiere nicht stattfinden würde. Danach spielte sich der reinste Zirkus ab: Fernsehen, Zeitungen, Rundfunk, Livesendungen in allen lokalen Medien, angekündigte Titelseiten in den wichtigsten Printmedien, ein ununterbrochenes Updaten der Entwicklung dieser Krise in allen Internetportalen usw.

Mein Freund, der Regisseur, bestand darauf, dass man den Fall bei seinem wahren Namen benennen sollte. Es sollte bekannt gegeben werden, dass es um sich ein politisches Verbot handelt, wobei ihm der bombastische Effekt, den diese Behauptung erzielen würde, durchaus bewusst war. Und tatsächlich: Binnen einiger Stunden wurde die Spitze des Staates aktiv und verlangte von der Leitung des Festivals, eine Pressekonferenz abzuhalten, auf der deutlich gemacht werden sollte, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe. Damit sollte dem Publikum, den Künstlern, aber vor allem den Leitern jener Kommissionen, die den Beitritt Kroatiens in die EU begleiten, deutlich gezeigt werden, dass Kroatien imstande ist, sich mit den Sünden aus seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, und zwar sowohl auf dem Gebiet der bürgerlichen wie auch der künstlerischen Freiheiten. Die Positionen der Macht hatten sich radikal verändert. Nun bestimmten die Autoren den Rahmen, in dem sich die Vorstellung abspielen sollte. Sie zögerten nicht, den ästhetischen, ethischen und politischen Ansichten der Festivalleitung gegenüber ihre Verachtung zum Ausdruck zu bringen. Sie verlangten Entschuldigungen und Kündigungen, und einige Medien begannen zu mutmaßen, dass es sich eigentlich um einen Marketingtrick handelte.

Während all dieser Ereignisse versuchte ich, meinem Freund zu erklären – die Medien stellten ihn als kontroversen und radikalen Regisseur dar (was er tatsächlich auch ist, aber es sind tiefgreifende Fragen, die er an das Medium Theater und an die Hierarchien stellt; es handelt sich nicht um kleinbürgerliche Verwunderung, die man meist auf Unwissen reduzieren kann) -, dass er der verführerischen Kraft der neuen kontroversen Etikette nicht erliegen solle, die ihm das Zurückweisen des angebotenen Waffenstillstandes seitens der „rechts“ des-orientierten Festivalproduzenten und die Verschiebung der Vorstellung nach Maßgabe der politischen Zensur eingebracht hätte. Ich habe ihm geraten, sich mit seinen eigenen Regieproblemen zu befassen, damit dieses durch die Medien aufgebauschte Ereignis seiner Arbeit nicht noch mehr Schaden zufügen würde. Denn all das würde seine Arbeit mit einem Spektakel anstelle von Mitgefühl kontextualisieren. Schließlich würde dieses Aufbauschen die Codes der schwer erreichbaren künstlerische Kontroverse durch die Codes der leicht erreichbaren politischen Kontroverse ersetzen.

Und dann?

Eine wunderbare Vorstellung, zumindest meiner Meinung nach.

Die Bakchen werden auf einem Schulhof gespielt, während aus den leeren Klassenräumen die Klänge des Hitchcock-Films Das Fenster zum Hof herunter klingen. Der Text der Tragödie ist auf den Monolog des Boten reduziert, der von Schauspieler zu Schauspieler wandert, wobei seine emotionale Spannung, die semantischen Akzente und natürlich die Modelle der Ausführung verändert werden. Die Schauspieler treten radikal aus der Sphäre des Sprechens heraus in die Sphäre der reinen Aktion, indem sie den Text über den Verlust der Kontrolle in einen Akt des Verlusts der Kontrolle verwandeln, indem sie jeder eine Flasche Wein leeren, wonach sie – betrunken – weiterzuspielen versuchen.

Warum zähle ich all das auf? Die Bakchen waren zur wichtigsten Nachricht avanciert, ohne dass vor der Vorstellung oder danach auch nur eine einzige Meinung über die Vorstellung selbst, über ihre Dramaturgie, über die Interventionen des Regisseurs und über das Konzept ausgesprochen wurde. Paradoxerweise wurde die Vorstellung gerade durch die Aufmerksamkeit zensiert, die sie aus dem Bereich der Kunst in den Bereich der Kultur katapultiert hat, das heißt in den Bereich des Spektakels und eines politisierten Glamours. In dieser neuen Domäne fand die Vorstellung keine geeigneten Kritiker und keinen diskursiven Code, der für ihr Verständnis notwendig gewesen wäre. Unbeabsichtigt. Völlig unbeabsichtigt. Indem sie um die eigene Sichtbarkeit kämpfte, löschte sich die Vorstellung vollständig aus. Victor Klemperer schreibt über das Heldentum und sagt, dass der Heroismus am reinsten und bedeutendsten ist, je leiser er sei und je weniger Publikum er habe, je unrentabler er für den Helden selbst sei und je weniger dekorativ. In diesem Sinne hatten die radikalsten, heldenhaftesten und mutigsten Segmente dieser Vorstellung kein Publikum.

Ich kann nicht aufhören, darüber nachzudenken.

Derartige Ereignisse führen mich zurück zu meiner eigenen Angst davor, dass man mich als politische Autorin etikettieren könnte, da das (neben ideologischen Problemen) auch den Mythos der politischen Provokation mit sich bringt, dem ich ununterbrochen zu entgehen versuche, weil ich weiß, dass die Radikalität irgendwo anders ist, in den unpopulären Entrückungen der eigenen Sprache, des Ausdrucks, dort, wo das Risiko unbemerkt bleibt. Wenn man mich fragt, ob ich politisch radikal sei, antworte ich deshalb, dass ich es nicht bin. Wenn man mich fragt, worüber ich denn dann schreibe, antworte ich, dass ich über die Liebe schreibe, über den Massentourismus und über einige notorische Themen. Wenn man mich fragt: Waren Sie nicht die, die Bombenfrau geschrieben hat, ein Stück darüber, was sich im Kopf einer Selbstmordattentäterin in den letzten Minuten, bevor sie die Bombe zündet, abspielt, antworte ich, dass ich eigentlich ein Stück darüber geschrieben habe, was sich in meinem Kopf abspielt, während ich so tue, als würde ich das schreiben, von dem man behauptet, dass ich es geschrieben habe. Dann fragen sie mich, worüber ich denn eigentlich schreibe, und ich antworte, dass ich über das Schreiben schreibe. (Mein Gott, wie dämlich!)

Manchmal ist diese Antwort tatsächlich ein kleiner Selbstmord. Vor allem dann, wenn dann der Kommentar kommt: Wen interessiert das schon?

Aus dem Kroatischen von Alida Bremer

2.9.1999

11. 7. 2008 // // Kategorie Randnotizen 2008

Jemand hat Marijana die Nachricht überbracht, Marijana hat Petercol angerufen und Petercol mich.

Er sagte mir, dass Marija gestorben ist.

Ich begann zu weinen.

Gewöhnlich weine ich bei einer solchen Nachricht nicht, sondern trage lange die Information in mir, die Fakten, die Geschichte der Krankheit und die Todesstunde. Und ich brauche eine gewisse Zeit, manchmal Tage und manchmal Monate, um genau jene Stelle zu ertasten, die leer geblieben ist.

Ich umkreise sie. Ich weiß genau, wo sie sich befindet.

Ich habe zwischen Marijas Katalogen eine handgeschriebene Einladung zu der Ausstellung in ihrer Galerie in Grožnjan gefunden. Sie stellte dort ihre alten Bilder aus, die inspiriert waren von dem Gedichtzyklus Die Dünnen von Radovan Ivšić. Es war der letzte Sommer des vergangenen Jahrhunderts, und ich hatte den dringenden Wunsch, die Menschen und die Orte kennen zu lernen, die mich verändern würden, ich wollte John kennen lernen, nach Istrien zurückkehren… dort hatte ich Marija gefunden. Und einige andere.

Ich habe das Reiselesebuch geöffnet, in dem auch mein Ankommen in Istrien beschrieben wird. Einige Male lese ich die Seiten, auf denen es um Marija geht. Und um die Liebe. Es scheint mir, als würde jener Ort, an dem sie nicht mehr ist, immer größer.

“Das eingeengte Kreisen innerhalb der Stadtmauern von Grožnjan stört mich nicht, ebenso wenig wie die Tatsache, dass ich außer Marija niemanden kenne. Sie hat mir ein Zimmer im obersten Stock zur Verfügung gestellt und verlangt dafür nichts weiter als eine Gesprächspartnerin, wenn sie nicht schlafen kann, aber unter der Bedingung, nicht wie eine alte Dame mit fünfundsiebzig Jahren behandelt zu werden, die sich von einem Schlaganfall erholt und versucht, die Erinnerungen einzusammeln, die in Fetzen in ihrem Gehirn verteilt herumliegen. Sie will nicht mehr an den Tod denken, geschweige denn wie diese alten Leute sein, die nur über ihre Häufchen und ihre Krankheiten sprechen. Das sind ihre Worte.

In der damaligen Umjetnička-Straße ohne Hausnummer dauert das Gespräch bis zwei Uhr morgens, Marija spricht über ihre lang zurückliegende Reise nach Burma, über verstorbene Menschen, die sie liebte, über neue Aquarelle und selbstverständlich über die provinzielle Ungebildetheit und die lokalen Politiker, die sich mit Prosciutto bestechen lassen. Nacht für Nacht knarren wir durch das Haus, sie stellt mit einer Dosis Ironie ihr Leben wieder her, und mich wiederum ermutigt eine der Geschichten, in der sie vor fast vier Jahrzehnten in das zerstörte mittelalterliche Städtchen ohne Strom und Kanalisation kam. Ich frage sie, warum sie geblieben ist. Sie sagt: Aus Trotz.

Nach zwei Uhr morgens atmet Marija leise und lässt zum Glück die Tür offen, denn, ich schäme mich, es zuzugeben, ich belausche sie, während sie schläft, durch das Halbdunkel beobachte ich das Anheben ihrer Brüste, fürchte mich vor diesen zerbrechlichen Äderchen in ihrem Gehirn, habe Angst vor den Kurzschlüssen, die Risse in der Chronologie ihres istrischen Flüchtlingslebens verursachen, weswegen sie den Faden verliert und Dinge wiederholt, während ich mit dem Kopf nicke, als würde ich alles, was sie sagt, verstehen.

Und ungefähr an dieser Stelle tauchst du auf, springst aus dem Rückspiegel hervor und klinkst dich ins Gespräch ein, fragst mich, ob wir im Schatten eines Baumes etwas trinken gehen könnten, ich bin einverstanden, erkläre dir die Situation mit Marija, bitte dich, vorsichtig zu sein und nicht zu zeigen, wenn du dieselbe Episode aus den Grožnjaner Chroniken bereits dreimal gehört hast, ich zeige dir ihre Zeichnung, auf die sie mit Tusche Verse von

Ivšić geschrieben hat (ich wache auf / öffne mich dem neuen Tag / und atme / es ist so schön), ohne damals zu wissen, dass dieses Bild in unserem gemeinsamen Vorzimmer hängen

und dass ich diese paar Tintenkleckse schätzen würde wie auch diese Zeichnung aus deinen Studientagen, als du, statt eine Straße von Rovinj bei Nacht zu malen, mit Grafitstift

nur die Punkte gekritzelt hast, an denen die Straßenlampen brannten. Etwa zehn schwarze Punkte, während der Rest unsichtbar und ungeschrieben bleibt – die ganze Stadt verschwindet, die rund zehntausend mit Eis voll gefressenen Touristen, die wie zwei Paar Flipflops, sich im Kreis drehen, sich über den warmen Wein beschweren und sich manchmal an die Hand nehmen.

Doch wenn du in Grožnjan auftauchst und Marijas Zeichnungen kommentierst, kennen wir einander kaum, du versicherst mir, du würdest dich meiner älteren Freundin gegenüber galant verhalten, denn im Übrigen würdest du lieber zuhören als selbst zu reden, und daher würdest

du dich dafür interessieren, wer ich sei und woher ich komme, du gibst nicht zu, mir bereits seit Monaten zu folgen, und naiverweise begreife ich das nicht einmal und erkläre dir deshalb, dass ich gerade aus Australien zurückgekommen sei, dass ich weder Arbeit noch Pläne hätte, außer ein Drama zu Ende zu schreiben, dass in Zagreb eine Mietwohnung auf mich warte, in der, wie ich glaube, Kakerlaken meine Bücher zerfressen würden. Und da du mir wirklich aufmerksam zuhörst, werde ich dir auch gestehen, die Stadt zu hassen, in der ich geboren worden sei, nicht die einzige zu sein, die von einer einsamen Insel träume, denn sowieso hätte ich weder eine feste Adresse noch eine Handynummer und ich hätte meine gesamten Ersparnisse aufgebraucht und würde mir gerade eine Strategie überlegen, wie ich den Winter überleben soll. Und wenn du mich fragst, warum ich von allen Orten dieser Erde gerade

diesen ausgewählt hätte, denn Marijas Haus sei, wie du hörst, voller Skorpione, die Galerien von Grožnjan seien der schlimmste Keramikerkitsch, und von diesem Berg aus sei das Meer nur an sehr klaren Tagen zu sehen, werde ich alles bestätigen, was du sagst, doch ich werde auf deine Frage keine Antwort geben können.” (Aus dem Kroatischen von Margit Jugo)

Aus: Literarisch reisen: Istrien (Hrsg. von Alida Bremer), Drava Verlag 2008